Rechtsextremismus „Paladin“-Prozess in Koblenz: Joachim T. pöbelt im Gerichtssaal
Koblenz · Der Hauptangeklagte im Koblenzer „Paladin“-Prozess ist am jüngsten Verhandlungstag am Landgericht einmal mehr mit penetrant störendem Verhalten aufgefallen. Er duzte die Staatsschutz-Richterin, ignorierte ihre Anweisungen, trat und schlug gegen die Anklagebank – und wurde am Ende von der Hauptverhandlung ausgeschlossen.
Szenen, die man so in Justitias Hallen ganz sicher nicht alle Tage erlebt.
Ein Angeklagter, der eine Richterin duzt, dreist über sie hinwegspricht und später gegen die Anklagebank tritt – all dies ist am jüngsten „Paladin“-Prozesstag am Koblenzer Landgericht tatsächlich so passiert. Derartiges Verhalten eines Angeklagten erlebt man selten bis nie in Justitias Hallen. Die Rede ist von Joachim T., der sich in Koblenz vor einer Staatsschutzkammer verantworten muss.
Die Vorwürfe: Laut Anklage soll der 39-Jährige im Herbst 2020 – unter dem Eindruck der Corona-Maßnahmen – die Vorstellung entwickelt haben, der Staat sei unter dem Vorwand der Bekämpfung der Pandemie dabei, die Grundrechte abzuschaffen. In der Folge soll er sich dazu entschlossen haben, eine bewaffnete Vereinigung namens „Paladin“ zu gründen, deren Ziel die bewaffnete Abwehr staatlicher Maßnahmen zur Corona-Bekämpfung gewesen sein soll.
Später soll es dem 39-Jährigen gelungen sein, seine zwei Mitangeklagten, einen 63-Jährigen und einen 57-Jährigen, für die Gruppe anzuwerben. In der Folgezeit soll es zu paramilitärischen Übungen sowie der Herstellung von Waffenteilen für Waffen des Typs FGC-9 und der dazugehörigen Munition mittels 3D-Drucker gekommen sein. Joachim T. war Ende 2023 aufgrund eines Europäischen Haftbefehls in Portugal festgenommen und im Februar 2024 nach Deutschland überstellt worden. Er sitzt seitdem in U-Haft, seine Mitangeklagten nicht.
Mittwochmorgen, 9.30 Uhr, Schwurgerichtssaal des Koblenzer Landgerichts. Wie schon an vorangegangenen Prozesstagen setzt Joachim T. wieder alles daran, die Verhandlung maximal zu stören. Während Richterin Julia Rau Schriftstücke verliest, spricht T. einfach penetrant über sie hinweg. Ermahnt wird er oft, doch dies fruchtet nicht. T. behauptet, dass er in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Koblenz unmenschlich behandelt werde. „Entwickelt mal wieder Mitgefühl für eure Mitmenschen“, ruft er in den Saal. Dass er gefangen gehalten werde, sei ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.
Richterin Rau verliest weiter Schriftstücke. Verstehen kann man sie jedoch nicht so recht, denn Joachim T. ignoriert sie, hat sich in Rage geredet. Er flucht über die Justizmitarbeiter im Raum. T. fragt, ob es sich dabei überhaupt um Menschen handele. Die Gesichter der Justiz-Männer und -Frauen sprechen daraufhin Bände „Das ist ein unmenschlicher Prozess“, ereifert sich der 39-Jährige.
Joachim T. versucht dann, Kontakt zum Publikum aufzubauen. Durch direkte Ansprache, Blickkontakt. Vergeblich. Viele Zuschauer sind ohnehin nicht da, vielleicht zehn Leute. „Ich arbeite mein Leben lang als Heiler“, sagt der 39-Jährige – und verliert kurz den Faden. Aber: „Wenn ich ruhig werde, heißt das nicht, dass ich hier irgendetwas zustimme!“ Und dann geht es weiter: „Lest mal die Bibel. Schaut mal, was die mit Jesus gemacht haben. Das heißt nicht, dass ich Jesus bin.“ Als Richterin Rau die Schriftstücke fertig verlesen hat, ist es Zeit für den ersten Zeugen. Dieser ist aber noch nicht da. Also lässt die Vorsitzende Joachim T., der ohnehin nicht zu bändigen ist, einfach weiter monologisieren. Sehr lange. In Haft meditiere er, sagt der 39-Jährige. Weil er seinen Glauben habe, könne ihm der Knast psychisch wie physisch aber „gar nichts“.
Eigenen Aussagen zufolge hat Joachim T. einst Kickboxen gelernt und sieben Jahre lang ohne Geld gelebt. Er sei einfach als Aussteiger durch die Gegend gereist, da er schlicht kein Teil der Gesellschaft habe sein wollen, sagt er: „Ich passe hier nicht rein.‘‘
Mit jeder Minute, die T. ohne Unterbrechung sprechen darf, wirkt er ruhiger. Aus nicht wirklich ersichtlichen Gründen fühlt er sich dann aber plötzlich von der Richterin ausgelacht, brüllt ihr den Satz „Ich sehe dein Lächeln im Gesicht!“ entgegen und tritt und schlägt wild gegen die Anklagebank. Dann reicht es der Vorsitzenden: Pause. Joachim T. wird aus dem Gerichtssaal entfernt.
Nachdem sich die Gemüter wieder etwas beruhigt hatten, verkündete die Richterin, dass der 39-Jährige für den Rest des Verhandlungstages sowie für weitere Prozesstage von der Hauptverhandlung ausgeschlossen werde. Erst im September habe dieser wieder die Chance, zu beweisen, dass er auch ohne massive Störungen dem Prozess folgen könne.
Auf Zeuge eins wartete man am jüngsten Verhandlungstag letztlich vergeblich, ein zweiter sagte aus, dass Joachim T. die Corona-Maßnahmen sehr kritisch gesehen habe. Zeuge drei, der Vater des 39-Jährigen, bestätigte dies. Der 65-Jährige sagte, dass er heute – aus verschiedenen Gründen – keinen Kontakt mehr zu seinem Sohn habe: „Ich wollte keinen Kontakt mehr zu ihm haben. Das hätte mich mit fünf Bypässen zu sehr aufgeregt.“
Hauptangeklagter fordert Gold als Kompensationsmittel Bereits vier Haftprüfungsanträge hat Joachim T. gestellt, alle wurden abgelehnt. Es sei darin, so Richterin Rau sinngemäß, nämlich nie um die Anfechtung der Vorwürfe aus der Anklage gegangen. Joachim T. fordert in den Anträgen offenbar ein Gramm Gold für jede Minute, die er, wie er behauptet, zu Unrecht hinter Gittern habe verbringen müssen. „Ich räume offen ein, dass ich erschöpft bin. Ich bin platt“, sagte Richterin Rau am Ende des jüngsten Prozesstages.