Eltern machen gegen Unterrichtsausfall mobil

Trier · Weniger Schüler brauchen auch weniger Lehrer. Das Land will die frei werdenden Pädagogen als Vertretungslehrer einsetzen, um den Unterrichtsausfall zu begrenzen. Elternvertreter fordern einen deutlichen Rückgang des Stundenausfalls.

Trier. Das Schuljahr hat noch nicht richtig begonnen, da hagelt es schon Kritik an der rheinland-pfälzischen Bildungsministerin. Die beiden Lehrergewerkschaften GEW und VBE fordern, was wohl kaum überraschend ist, mehr Lehrer. Zwar würde im neuen Schuljahr vermutlich weniger Unterricht ausfallen als im abgelaufenen, doch, so die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft basiere die bessere Unterrichtsversorgung nur darauf, dass das Land viele Lehrer mit Zeitverträgen eingestellt habe. Der GEW-Landesvorsitzende Klaus-Peter Hammer schätzt, dass rund 2000 Lehrer befristet eingestellt und nach sechs Monaten oder spätestens zu den Sommerferien zunächst wieder entlassen werden, um danach womöglich wieder eingestellt zu werden. Nicht wenige arbeiteten so bereits mehrere Jahre lang, ohne Perspektive und Planungssicherheit für ihre berufliche Zukunft. Die rheinland-pfälzische Bildungsverwaltung entwickle sich deshalb zusehends zu einer Zeitarbeitsfirma, kritisiert vor diesem Hintergrund auch der Landesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung, Gerhard Bold. "Vertretungslehrkräfte sind in aller Regel voll ausgebildete Kollegen, die an den Schulen als kompetente Pädagogen gebraucht werden." Ihre Kompetenz nicht zu nutzen sei aus volkswirtschaftlicher wie aus pädagogischer Sicht eine skandalöse Verschwendung, so der VBE-Landesvorsitzende. Auch der Regionalelternbeirat (REB) kritisiert den zunehmenden Einsatz von befristeten Lehrern. REB-Vorsitzender Reiner Schladweiler erwartet, dass sich die Zahl der ausgefallenen Stunden im laufenden Schuljahr verringert. "Wir werden das mit Argusaugen im Blick behalten", sagt Schladweiler. Nach Schätzung der Lehrergewerkschaft VBE könnten 2,2 Prozent der Stunden im laufenden Schuljahr ausfallen. Die Eltern machen in einer Petition gegen den Stundenausfall mobil. "Unterrichtsausfall und Qualitätsmängel sind nicht länger hinnehmbar. Es besteht dringender Handlungsbedarf. Bildung ist unsere Zukunft", heißt es in der im Internet veröffentlichten Petition.
Das Land will die Zahl der Vertretungslehrer von derzeit 200 auf 1000 in den kommenden Jahren ausbauen. Ermöglicht werden soll dies durch die zurückgehende Schülerzahl, die weniger Lehrer notwendig macht. Rund die Hälfte der Lehrerstellen, die bis 2016 eigentlich frei werden sollen, würden in Verbesserungen investiert, sagte ein Sprecher des rheinland-pfälzischen Bildungsministeriums. Das entspreche rund 1900 Stellen.
Seit Jahren geht die Zahl der Schüler im Land zurück. Gab es 2001 noch 180 000 Grundschüler, waren es im vergangenen Schuljahr nur noch 145 600. Und von denen gehen im Verhältnis gesehen immer mehr aufs Gymnasium. Waren es 2007 noch 37 Prozent eines Jahrgangs, der auf ein Gymnasium wechselte, waren es im vergangenen Jahr 39 Prozent. In der Region gingen im abgelaufenen Schuljahr knapp 24 000 Schüler auf ein Gymnasium, die Realschulen plus zählten 18 000 Schüler und die Gesamtschulen 3500.
Trotz der Kritik an einzelnen Punkten der Schulpolitik lobt der Regionalelternbeirat auch das Land. Die Elternvertreter sind überzeugt davon, "dass man im Bildungsministerium wirklich alles versucht, um mit den vorhandenen Finanzmitteln eine möglichst gute Bildung für unsere Schüler zu erreichen." Aber die vom Landtag bewilligten Mittel dafür seien nicht ausreichend. "Aus diesem Grund fordern wir von allen Parteien des Landtages, der Bildung unserer Kinder den absoluten Vorrang einzuräumen und diese nicht der Konsolidierung des Landeshaushalts zu opfern", sagt Schladweiler.Extra

Stundenausfall: Trotz der Zusage des Bildungsministeriums, den Stundenausfall zu reduzieren, sind viele Eltern skeptisch: "Für das nächste Schuljahr 2012/2013 zeichnet sich keine Lösung der aktuellen Probleme ab", heißt es in der Petition gegen den Unterrichtsausfall an rheinland-pfälzischen Schulen, die sich an Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) richtet (https:// www.openpetition.de/petition/online/unterrichtsausfall-und-unterrichtsqualitaet-in-rheinland-pfalz). Sie verstehen den Aufruf als "virtuelle Demonstration". Zahlreiche Eltern haben sich bereits dem Protest angeschlossen. Hier auszugsweise einige Kommentare aus dem Internet: "Wir haben eine Tochter in der fünften Klasse und aktuell vergeht kaum eine Woche ohne mehrfachen Unterrichtsausfall." "In der Oberstufe habe ich mir nun mal die Mühe gemacht und jeden Stundenausfall aufgeschrieben. Ich kam auf einen Stundenausfall im Durchschnitt von 3,6 Stunden/Woche." "Meine Tochter ... hatte im Zeitraum Ende Sommerferien 2011 bis Beginn Herbstferien 2011 genau 35 Stunden Unterrichtsausfall!! Danach habe ich aufgehört zu zählen." "Mit größter Besorgnis sehen wir, dass fast täglich Unterricht ausfällt, der gar nicht erst vertreten wird, sondern als Eckstunde wegfällt, und hiervon ist nicht nur ein Fach betroffen. Zwangsläufig bleibt Lehrstoff auf der Strecke, von einer Vertiefung gar nicht erst zu sprechen." "Ein halbes Jahr kein Mathe, Deutsch und Englisch war das Endergebnis in der 6. Klasse bei einem meiner Kinder." wie

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