Elterngeld bringt nicht allen Eltern mehr Geld

TRIER. Zwölf beziehungsweise 14 Monate Eltern- statt zwei Jahre Erziehungsgeld: Dieses Gesetz, das zum Januar 2007 in Kraft tritt, bringt Vertreter von Studenten und sozial schwachen Familien auf die Barrikaden. Diese Gruppen blieben auf der Strecke, argumentieren sie.

"Die großen Verlierer des neuen Elterngelds sind die, die ohnehin schon am wenigsten haben", empören sich Kritiker über den aktuellen Kurswechsel in der Familienpolitik. Denn das von Bundesministerin Ursula von der Leyen propagierte Elterngeld benachteilige sozial schwächere Familien eklatant. Erhielten Studenten und Arbeitslose mit Kind bislang 300 Euro Erziehungsgeld - das entspricht beim Elterngeld dem Sockelbetrag, der garantiert gezahlt wird - noch 24 Monate lang, werden künftig mit dem Elterngeld die Zahlungen spätestens nach 14 Monaten eingestellt. Im Klartext: Wo der Staat früher 7200 Euro in die ersten Lebensjahre eines Kindes investierte, bleiben heute 4200 Euro übrig. "Damit entfällt die Förderung von Studenten komplett, deren Kinder im zweiten Lebensjahr sind", fasst Elke Michauk, Vorsitzende des FZS (Freier Zusammenschluss von StudentInnenschaften), dem Dachverband der Studierendenvertretungen in Deutschland, zusammen. "Ebenso wie Studenten werden auch Hartz-IV-Empfänger und all diejenigen benachteiligt, die nicht über ein solides Grundeinkommen verfügen", sagt sie.Laut Bundesministerium für Bildung und Forschung werden rund 250 000 Familien durch die Neuregelung benachteiligt, darunter die Hälfte der insgesamt 120 000 Studenten mit Kindern unter drei Jahren. "Ein sozialpolitischer Skandal", schimpft die Linkspartei. Auch Sigrun-Heide Filipp, Professorin für Psychologie an der Universität Trier und im Bundesministerium Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats für Familien, vertritt einen klaren Standpunkt: "Unseren Studierenden wird es nicht leicht gemacht." Der finanzielle Aspekt sei allerdings nur eine Sache, viel schwerer wiege das Problem der Kinderbetreuung. "Bereits vor zwei Jahren haben wir in einem Gutachten erklärt, dass nur eine gesicherte Kinderbetreuung in der ersten Lebensphase dazu beiträgt, dass Studenten Studium und Kind vereinbaren können", erklärt die Professorin. Die Zahlen, die Filipp nennt, sprechen eine eindeutige Sprache: "40 Prozent der qualifizierten Akademikerinnen bleiben kinderlos, für eine moderne Gesellschaft wie die unsere ist das eine Katastrophe." Dabei gehört die Psychologin zu den Befürwortern des Vorschlags der Ministerin, Kindergeld zugunsten eines kostenlosen Betreuungsplatzes zu kürzen, was bei einigen Politiker-Kollegen auf harte Kritik stößt.

"Von ihrem Kurs, Studium und Elternschaft frühzeitig und stärker fördern zu wollen, ist die Bundesregierung mit ihrem Elterngeld nun völlig abgekommen", bedauert auch Elke Michauk. "Daher fordern wir vom FZS neben der finanziellen Unterstützung auch eine Verbesserung der Betreuungsmöglichkeiten für Studierende mit Kind", erklärt die FZS-Vorsitzende.

Doch wo es Verlierer gibt, sind selbstverständlich auch Gewinner zu finden. 365 000 Familien profitieren von der Neuregelung, Erwerbstätige, die vorher wegen eines zu hohen Einkommens kein Erziehungsgeld bekamen. "Grundsätzlich ist das Elterngeld ja auch eine gute Sache, da es berufstätige Eltern nach der Geburt vor größeren Einkommenseinbußen bewahrt", lobt Sigrun-Heide Filipp das primäre Ziel, das die Familienministerin mit dem Elterngeld anstrebt.

Argwöhnisch betrachtet die Psychologin allerdings den Umstand, dass auch ALG-II-Empfänger von den Lohnersatzleistungen profitieren: "Hier werden Anreize dort geschaffen, wo das Problem des Kinderkriegens ohnehin keins ist."

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