Enttäuschung pur

TRIER. (sas) Die Region Trier ist enttäuscht: Sowohl Gewerkschaften und Ärztevertreter als auch Unternehmerverbände und Kammern haben sich von der Rede von Bundeskanzler Gerhard Schröder mehr erwartet - naturgemäß aus verschiedenen Blickwinkeln.

Hans-Herrmann Kocks, Hauptgeschäftsführer der Trierer Handwerkskammer: Ich hatte mir mehr Maßnahmen erwartet, wie es konkret weitergeht. Schröder hat weiterhin auf Kommissionen verwiesen. Zur Rentenversicherung ließ sich nichts finden. Ob mit den Schritten beim Kündigungsschutz mehr Beschäftigung entsteht, da habe ich erhebliche Zweifel. Die Vorschläge zum Handwerk sind diejenigen, die wir selbst vorgeschlagen haben. Wobei das Thema "Gesellen als Existenzgründer" noch sehr unausgegoren klingt. Die Rede lässt Interpretationsspielraum und hat mich enttäuscht.Roland Woelfl, Gewerkschaftssekretär der IG Metall in der Region Trier: Im Prinzip will Schröder den Sozialstaat abschaffen. Die Kürzung des Arbeitslosengeldes ist ein Skandal. Das schafft keinen einzigen Arbeitsplatz. Abweichungen vom Flächentarifvertrag gibt es bereits landauf, landab. Ja, es wird ein Ruck durch die Arbeitnehmerschaft gehen, weil sich die soziale Schieflage noch verschärfen wird. Schon jetzt zahlt kaum noch ein Unternehmen Steuern.Carl-Heinz Müller, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Trier: Wir haben mit dem gerechnet, was Schröder vorgetragen hat. Er hat das neue Wort Vermachtung des Gesundheitswesens geprägt. Damit verunglimpft er die Ärzteschaft. Ich finde es toll, dass er die Verstaatlichung anprangert, doch er muss sich sagen lassen, dass der Staat dafür verantwortlich ist. Er hinterfragt aber nicht die Leistung dieses Systems. Und zu den KVen: Die Einzelverträge mit Ärzten sind niemals so solidarisch wie Flächenverträge. Unsere Zukunft wäre die einer Ordnungspolizei, die nicht kreativ werden kann. Meine Erwartungen hat Schröder nicht erfüllt, innovative Elemente haben gefehlt.Ingo Becker, Geschäftsführer der Vereinigung Trierer Unternehmer (VTU): Ich habe nichts Neues gehört, nichts, was ich nicht schon gelesen hätte. Die Einschnitte bei den Lohnnebenkosten gehen in die richtige Richtung, aber der Teufel steckt im Detail. Die Bestimmungen beim Arbeitsrecht sind eine einzige Enttäuschung. Dass wir alle Opfer bringen müssen, damit müssen wir rechnen. Dennoch, ich bin über alle Maßen enttäuscht.Wolfgang Natus, Präsident der Industrie- und Handelskammer Trier: Es war keine begeisternde Rede. Nach ihr wird es sicher nicht zu einem Ruck durch unser Land kommen. Dennoch meine ich, dass der eingeschlagene Weg richtig ist, dass er aber konsequenter gegangen werden muss. Einige der Forderungen der Wirtschaft, wie zum Beispiel eine Verkürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes, eine größere Öffnung bei den Tarifverträgen oder eine größere Selbstbeteiligung im Gesundheitswesen finden sich zumindest ansatzweise wieder.Karl-Heinz Päulgen, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Region Trier: Ich hatte mir von der Rede nichts erhofft. Die Kürzungen beim Arbeitslosengeld werden jedenfalls von den Gewerkschaften nicht hingenommen. Das ist eines sozialen Rechtsstaates unwürdig. Auch wird der Kündigungsschutz aufgeweicht. Das ist eine Katastrophe für unsere mittelständische Region. Außerdem hat der Kanzler nichts über den Überstundenabbau und die Verpflichtung, Stellen zu schaffen, gesagt. Ich bin erschrocken.

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