Erschöpft nach neun Monaten

Mit der gestrigen Kabinettsklausur wollte die Regierung wieder in die Offensive kommen. Das ist ihr nicht gelungen. Das Dümpeln geht weiter. Hinter der Kanzlerin, auch hinter Vizekanzler Müntefering, schwillt der Bocksgesang der Widersprüche, Bedenken und Vorschläge aus den eigenen Reihen an.

Das hat auch, aber eher weniger mit den anstehenden Wahlen in zwei Ländern zu tun. Das Kabinett ist in einer Großen Koalition eben nicht das Gravitationszentrum. Die Macht liegt ebenso in den Ländern, in den Fraktionen, und, halbe-halbe, in den beiden Parteien. Angela Merkel kann nicht wirklich die Regierung führen, ihr Sinn und Richtung geben, wenn es keine gemeinsame Grundüberzeugung beider Partner bis hinein in die Mitgliedschaft gibt. Angenommen, es ginge bis 2009 so weiter. Und angenommen, Merkel würde dann nicht wieder Kanzlerin. Dann bliebe sie, aus heutiger Sicht, in den Annalen als der schwächste Regierungschef seit Kiesinger in Erinnerung. Außer Spesen - Mehrwertsteuer, Kassenbeiträge, Pendlerpauschale - nichts gewesen. Merkel, Müntefering und Beck, die wichtigsten Führungskräfte, glauben an die Kraft der großen Koalition. Sie wollen dem Land jene Veränderungen verpassen, die es in zehn Jahren wieder an die Spitze Europas bringen können. Aber schon diese drei sind sich nicht einig über den Weg dahin. Deshalb machen sie den Koalitionsvertrag zu einer Art Heiliger Schrift, die sie immer wieder anrufen müssen. Und sind sie doch einer Meinung, so nehmen sie zu viele Rücksichten auf ihre jeweilige Klientel und haben zu wenig Mumm und Macht, sich ihr gegenüber durchzusetzen. Blickt man auf das Blatt, auf dem die Vorhaben für 2007 stehen, ist da nur ein leeres Stück Papier. Die Koalition ist, so scheint es, im Hier und Jetzt schon erschöpft. nachrichten.red@volksfreund.de

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