Erst den Zehner auf den Tisch!

TRIER. Neben der Versichertenkarte sollte man ab näch-sten Jahr auch seine Bank-Karte mit zum Arzt nehmen. Um Patienten das Bezahlen der Praxisgebühr zu ermöglichen, soll es bei vielen Ärzten demnächst Zahlstationen oder sogar Geldautomaten geben.

Dass man beim Arztbesuch ein Kärtchen zücken muss, ist seit der Einführung der Versichertenkarte nichts Neues. Doch ab Januar kann man in vielen Praxen wahrscheinlich noch eine zweite Karte aus dem Geldbeutel ziehen: die Bank- oder EC-Karte. Pro Quartal werden bei jedem Arztbesuch zehn Euro Praxisgebühr fällig. Doch die niedergelassenen Ärzte wissen noch immer nicht, wie sie überhaupt an das Geld kommen sollen. In den Wartezimmern drängen sich derzeit Bankmanager. Sie wollen den Ärzten Lesegeräte für Scheckkarten und sogar Geldautomaten verkaufen, bestätigt Roland Ilzhöfer von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Zahlung mit Kreditkarten eher unwahrscheinlich

Zur Zeit beraten Experten von Krankenkassen und der Ärztevertretungen über die Umsetzung der Gebührenordnung in die Praxis. Denn die scheinbar so einfache Regelung ist kompliziert und hat ihre Tücken. Bevor der Arzt fragen darf: "Was fehlt Ihnen denn?", muss der Patient den Zehner auf den Tisch legen. Zweifelnd, ob der Patient in diesem Quartal schon einmal in der Praxis war, müssen die Arzthelferinnen nach einer Quittung fragen. Carl-Heinz Müller, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Trier (KV), rät daher: "Auf jeden Fall immer die Quittung aufheben und beim Arztbesuch vorzeigen." Ein Überweisen der Gebühr oder eine Abbuchungserlaubnis für den Arzt ist übrigens nicht möglich. Die Ärzte haben Angst, dass die Überweisung ausbleibt oder das Konto leer ist. Kreditkarten werden wohl keine Chance bekommen, weil sie für den Arzt zu teuer wären. Auch wenn die KBV ganz rigide von ihren Ärzten verlangt: "Ohne Vorkasse keine Behandlung", wird sich ein Arzt wohl kaum erlauben können, einen Patienten, der kein Geld dabei hat, nach Hause zu schicken. Beispiel: Eine Hausfrau hat sich beim Kartoffelschälen den halben Finger abgesäbelt und rennt blutend, aber ohne Portemonnaie, in die nächste Arztpraxis. Keine Frage, dass der Arzt da nicht sagen darf: "Erst zahlen, dann verbinden." Ziel der Praxisgebühr ist es, die Patienten davon abzuhalten, wegen einer Krankheitzu mehreren Ärzten zu gehen. Das so genannte Doktor-Hopping soll damit eingeschränkt werden. Gleichzeitig wird das von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) favorisierte Hausarzt-Modell damit forciert. Denn wer sich von seinem Hausarzt zu den entsprechenden Fachärzten überweisen lässt, braucht bei denen keine Gebühr zu zahlen. Im Gegensatz zu Ärzten dürfen Psychotherapeuten keine Überweisung schreiben. Empfehlen sie ihren Patienten, zur weiteren Behandlungen einen Facharzt aufzusuchen, müssen sie nicht nur beim Therapeuten zehn Euro bezahlen, sondern auch beim Arzt. Doch was macht ein Arzt mit säumigen Zahlern? Druckmittel hat er kaum. Oder was geschieht, wenn ein Patient am letzten Tag eines Quartals zum ersten Mal zu seinem Arzt kommt, nicht bezahlt und einen Tag später die zehn Euro nachreicht? Muss er dann gleich zwei Mal zahlen, weil ja bereits ein neues Quartal begonnen hat? Und was ist, wenn ein Arzt einem Patienten, der kein Geld dabei hat, Kredit einräumt, die nachträgliche Zahlung de Gebühr aber "vergessen" wird? Hausarzt muss Wechselgeld parat halten

Auf jeden Fall ist das Kassieren der Gebühr mit einem erheblichen Aufwand für die Praxen verbunden. Müller gibt Beispiele: Kommt ein Patient vorbei, will nur ein Rezept für ein Medikament, das er regelmäßig nimmt, sind die zehn Euro fällig, die tatsächlichen Behandlungskosten sind laut Müller aber gerade mal knapp 1,50 Euro. Auch für das Abholen einer Überweisung ohne den Arzt zu besuchen, können nicht mehr als 1,50 Euro in Rechnung gestellt werden, trotzdem müssen die Arzthelferinnen die zehn Euro direkt kassieren. Nächstes Problem: Ein Patient zückt einen 500-Euro-Schein. Die Praxis muss also Wechselgeld bereit halten. "Erstmals befindet sich in den Praxen überhaupt Bargeld, und damit ergibt sich auch ein Sicherheitsrisiko", so Müller. Auch wenn er zu Hausbesuchen unterwegs ist oder am Wochenende Notdienst hat, muss er immer Wechselgeld parat halten. Gezahlt werden muss übrigens auch, wenn der eigene Arzt Urlaub hat oder krank ist und man dann zu seinem Vertreter geht. Müller: "Wir werden in der ganzen Bürokratie untergehen."

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