Erst verstört, dann gefasst

FRANKFURT. Auf ihrem Gewerkschaftskongress hat die IG Metall am Wochenende in Frankfurt eine neue Führung gewählt.

Ein bisschen verstört waren die IG-Metaller schon, am Sonntagmittag im Frankfurter Messezentrum. Da hatten sie sich zwei Tage lang Mut gemacht, hatten Rebellen zur Räson gebracht. Und dann so was. Nicht einmal 70 Prozent. Nicht für den neuen Chef Jürgen Peters und nicht für seinen Stellvertreter Berthold Huber, die Hoffnungsträger der IG Metall für die nächsten vier Jahre. Doch dann beruhigten sie sich auch schnell wieder. "Das ist besser so", sagte einer, "als wenn Huber deutlich mehr Stimmen als Peters bekommen hätte." Einige Delegierte vermuten die "Verräter" an der Küste und in Bayern. Gespannt hatte man am Morgen die Bewerbungsrede von Bertold Huber erwartet, der ein solides Bekenntnis zu einer standhaften Tarifpolitik ablieferte. Tarifpolitik, so Huber, sei das Kerngeschäft der Gewerkschaften. Daraus resultiere wesentlich die Durchsetzungsfähigkeit und die Akzeptanz der Gewerkschaft in den Belegschaften. "Angriffe auf die Tarifautonomie sind im Kern Angriffe auf unser Sozialstaatsmodell, das eine Mitsprache der Gewerkschaften für unverzichtbar hält", sagte Huber. An anderer Stelle setzte er sich für einen kooperativen Politikstil ein. "Wir tragen Mitverantwortung für ein politisches Umfeld, das unseren Anliegen förderlich ist." Von einem solchen Umfeld könne aber heute keine Rede sein. Zuvor hatte eine breite Debatte über die Erfahrungen des vergangen Sommers stattgefunden. Viel Beifall erntete Klaus Ernst, als er auf "das gestörte Verhältnis" der IG Metall zur SPD einging. Wenn er nur schon höre, dass nun das "kleinere Übel" an der Macht sei! "Stellt Euch vor, Ihr kommt nach Hause, und da trägt gerade ein Dieb den Fernseher aus der Tür. Wenn Ihr ihn zur Rede stellt, entschuldigt er sich: Ich bin doch nur das kleinere Übel. Wenn ich nicht hier wäre, käme einer aus Bayern, und der würde Euch auch noch die Waschmaschine klauen."Ärger über die SPD

Uwe Fritsch aus Braunschweig ärgerte sich darüber, dass man bei dem Streik im Osten nicht nur mit einer von den Arbeitgebern beeinflussten öffentlichen Meinung zu kämpfen gehabt habe, sondern auch mit der Bundesregierung. Während man in den neuen Bundesländern für eine kürzere Arbeitszeit eingetreten sei, habe Wirtschaftsminister Wolfgang Clement eine Arbeitszeitverlängerung verlangt. Aber nicht nur wegen der Sache mit der Arbeitszeit ärgerte man sich über die Genossen. Auch die Agenda 2010, der man zu verdanken habe, dass man Arbeitnehmer künftig am schlechten Zustand ihrer Zähne erkennen könne, ist den Metallern ein Dorn im Auge. Man räumte ein, dass bei dem gescheiterten Streik auch Fehleinschätzungen vorgelegen hätten, etwa bei den Bevollmächtigten im Osten. Doch insgesamt sei es ein Fehler, von "Versagen" zu sprechen, sagte eine Delegierte. "Wir dürfen das nicht nur negativ sehen. Wir müssen auf dem aufbauen, was dort 90 000 Leute geleistet haben."

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