"Es langt gerade so zum Leben"

Seit drei Jahren ist Bernd Schmidt (Name geändert) arbeitslos. Von 800 Euro leben er, seine Frau und die 19, 13, vier und zwei Jahre alten Kinder jeden Monat.

Trier. (uq) Es steckt Herzblut in diesem Haus. Vor 17 Jahren hat Bernd Schmidt es gekauft und mit der Renovierung begonnen. Damals, als er noch einen Job hatte und eine schönere Zukunft plante. Doch vor etwa drei Jahren verlor er seine Arbeitsstelle. Und nun verliert die Familie auch ihr Zuhause.

Als Schmidt noch als Gärtner arbeitete, verdiente er knapp 1500 Euro netto. Einschließlich Kindergeld für die damals drei Kinder betrug das Monatseinkommen damit knapp 2000 Euro. Heute bleiben der Familie aus dem Kreis Trier-Saarburg (inzwischen hat sie vier Kinder) jeden Monat 800 Euro zum Leben übrig. 945 Euro Arbeitslosengeld II fließen auf das Konto, dazu insgesamt 772 Euro Kindergeld. Die Ausgaben für Wasser und Abwasser, Heizung, Strom, Telefon, Kindergarten und die Zinsen für die Hausfinanzierung belaufen sich auf etwa 900 Euro.

Von dem, was bleibt, kaufen die Schmidts in erster Linie Nahrungsmittel und Hygieneartikel. Hin und wieder auch Kleidung, wenn sie nicht auf Hosen, Jacken und Mützen zurückgreifen können, die ihnen Familienmitglieder oder Bekannte schenken. Auch auf die Hilfe der Tafel möchte die Familie nicht mehr verzichten. "Es langt gerade so zum Leben", sagt Schmidt.

Schwierig wird es, wenn es an teuren Dingen fehlt. Als der Kühlschrank nicht mehr funktionierte, lehnte die Agentur für Arbeit den Antrag auf einen Kredit ab, erzählt Schmidt. "Also habe ich mir bei einem guten Bekannten das Geld geliehen." Mit ein wenig Stolz fügt er hinzu: "Mittlerweile hat er jeden Cent zurückbekommen."

Mehr als zwei Jahre schlief das Ehepaar auf dem Sofa, weil das Schlafzimmer nach 20 Jahren nicht mehr zu gebrauchen war. Schmidts Vater kaufte ihnen schließlich ein Bett. Von seiner Rente.

Doch schlimmer als all das ist die Ausgrenzung, die die Familie erlebt. Schmidt wurde schon oft beschimpft. Er solle endlich arbeiten gehen. Dabei, so erzählt er, könne er seinen Beruf wegen einer Krankheit nicht mehr ausüben. Und seinen Heimatort verlassen wolle er nicht, um seinen Vater weiter pflegen zu können.

Viele ehemalige Freunde hätten den Kontakt abgebrochen. Auch die Kinder würden in der Schule gehänselt - weil sie keine Markenkleidung tragen. "Die ganze Familie leidet darunter", erzählt Schmidt. "Auch die Ehe." Denn vor allem er und seine Frau verzichten auf vieles. "Die Kinder sollen nicht darunter leiden." Wann das Paar zum letzten Mal ausgegangen ist? "Ich glaube, vor fünf Jahren. Zum Hochzeitstag."

Der Familienvater arbeitet mittlerweile als Ein-Euro-Jobber. Einmal hatte er Aussicht auf eine neue Stelle. Doch dazu hätte er ein Auto gebraucht. Das er nicht bekommen habe, weil er noch keinen festen Vertrag in der Tasche hatte. "Ich würde so gerne wieder arbeiten gehen", sagt er. In einem Job, den er noch ausüben kann.

Aus ihrem Haus müssen die Schmidts mit ihren 19, 13, vier und zwei Jahre alten Kindern bald ausziehen, weil sie keine Rücklagen mehr haben, um die Raten zu zahlen. Obwohl die Miete für eine neue Wohnung plus die Kosten für den Umzug teurer sein wird als die Zinsen plus Tilgung in Höhe von 400 Euro, die sie für ihr Haus zahlen müssten. Ein Neffe hat der Familie das Haus abgekauft, damit sie am Ende keinen finanziellen Verlust hinnehmen muss und - wie Bernd Schmidt es ausdrückt - "null auf null rauskommt".

Der Blick in die Zukunft bereitet Schmidt dennoch keine Angst. "Ich glaube, dass ich wieder Arbeit finde. Die Hoffnung stirbt zuletzt."

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