"Es wird kein Krach geschlagen"

LEIPZIG. Die CDU hat während ihres heute beginnenden Parteitags in Leipzig eine ehrgeizige Tagesordnung zu bewältigen. Im Vorfeld sprach der TV mit Partei-Vize Christoph Böhr über die Stimmung in der CDU und seine Erwartungen.

Die CDU will auf ihrem Parteitag in Leipzig radikal neue Wege beschreiten und in der Sozialpolitik einen Systemwechsel beschließen. Doch wird der Parteitag nicht von der Affäre Hohmann überschattet?Böhr: Nein, ich bin ganz sicher, dass die Sozialpolitik im Mittelpunkt stehen wird. Es geht um ein wichtiges Ziel: auf Dauer für jedermann soziale Sicherheit in unserem Land zu gewährleisten. Das heißt, Sie erwarten keine Debatte zu Hohmann, obwohl es in der Partei immer noch gärt?Böhr: Nach wie vor gibt es Unmut, und es gibt sicherlich auch Wortmeldungen dazu. Doch das Topthema Sozialpolitik ist davon nicht berührt. Kern des Systemwechsels ist die Hinwendung zum so genannten Prämienmodell in der Krankenversicherung, bei der jeder Erwachsene den gleichen Beitrag zahlen soll. Nun gibt es gegen dieses Modell rund 1000 Änderungsanträge. Ist das nicht ein Indiz dafür, dass die CDU-Basis nicht einverstanden ist mit dieser Vorlage? Böhr: Im Gegenteil. Wenn man einen Systemwechsel will, muss man ihn gründlich durchdenken, bevor man ihn beschließt. Nichts anderes tut die Partei. Das Ziel muss sein, die Sozialversicherung wieder auf eine verlässliche Grundlage zu stellen. Aber nicht nur die rot-grüne Koalition, auch ihre Schwesterpartei CSU hält die "Gesundheitsprämie" für sozial ungerecht. Gibt Ihnen das nicht zu denken? Böhr: Ich glaube, dass sich die CSU unser Modell noch nicht genau angesehen hat. Wir haben ja einen sozialen Ausgleich vorgesehen. Das gesamte Herzog-Modell ist weiterentwickelt worden, sodass auch die CDA zustimmen konnte. Mein Landesverband Rheinland-Pfalz legt zudem einen Antrag vor, der den Grundsatz bekräftigt, dass niemand schlechter gestellt werden darf als heute. CSU-Chef Edmund Stoiber hat ein eigenes Rentenkonzept präsentiert, und er will mit einem eigenen Steuerkonzept nachziehen. Stoiber tritt in Leipzig auf. Liest ihm die CDU dort die Leviten, oder werden die familiären Probleme einfachweggeklatscht? Böhr: Es wird kein Krach geschlagen, und es wird auch nichts weggeklatscht. Wir sind auf einem guten Weg mit der CSU. Ich selber stimme übrigens in das Getöse der öffentlichen Kritik an den Vorschlägen der CSU nicht mit ein. Vor einem halben Jahr habe ich selbst einen ähnlichen Rentenvorschlag entwickelt, der die Kindererziehungszeiten im Rentensystem berücksichtigt. Man muss mit der CSU aber noch über die konkrete Umsetzung ihres Ansatzes reden. In Leipzig stehen keine Vorstandswahlen auf der Tagesordnung. Der Stimmungs-Test für die Parteivorsitzende Angela Merkel entfällt also. Wie beurteilen Sie ihre Stärke: Ist sie unbestritten? Böhr: Sie ist gänzlich unbestritten, die letzten Wochen haben das hinlänglich bewiesen. Sie hat sich zur Wortführerin in der Diskussion über die Ausgestaltung der sozialen Gerechtigkeit in Deutschland gemacht. Der Parteitag wird zeigen, dass sie der CDU eine richtige Wegweisung vorgegeben hat. Wenn die CDU also kein Führungsproblem hat und sich zudem programmatisch erneuert: Ist die Partei nach Leipzig fit für die Regierungsübernahme? Böhr: In der Sozial- und der Steuerpolitik sind wir schon fit, im Bereich der Familienpolitik und der Bildungspolitik sind wir auf gutem Wege. Die Kernsubstanz unseres politischen Konzepts liegt damit auf dem Tisch der Öffentlichkeit. S Das Gespräch führte unser Korrespondent Bernard Bernarding.

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