EU-Fesseln für Autohersteller?

Brüssel · Die maltesische Ratspräsidentschaft will Bewegung in den Streit um Zulassungsverfahren für neue Autos bringen.

Brüssel EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska pocht darauf, Konsequenzen aus dem VW-Dieselskandal mit der Schummelsoftware zu ziehen. Sie mahnt die EU-Mitgliedstaaten, endlich einen Kompromiss zu finden für eine wirksamere Marktüberwachung der Autohersteller durch die nationalen Zulassungsbehörden. "Nachdem die Mitgliedstaaten jahrelang die Augen verschlossen haben" und Rechtsverstöße von Herstellern nicht geahndet haben, "reagieren sie nun halbherzig auf den Druck der Öffentlichkeit", kritisierte die Kommissarin die Regierungen in den Hauptstädten im Gespräch mit unserer Zeitung.
Die wichtigste Lehre aus dem VW-Skandal müsse sein, dass die Verantwortung dafür, das Recht durchzusetzen und Verstöße zu ahnden, nicht mehr allein bei den Mitgliedstaaten angesiedelt werden dürfe. Und weiter: "Die EU braucht dringend neue Kontrollrechte gegenüber den nationalen Zulassungsbehörden, Testagenturen und Herstellern." Es müsse auch die Möglichkeit geben, bei erwiesenen Missständen Strafen zu verhängen.
Auch die maltesische Ratspräsidentschaft versucht, neuen Schwung in die Reform der Marktaufsicht und Typgenehmigung zu bringen. Sie hat einen Kompromiss erarbeitet, der Mittwoch erstmals im Kreis der 28 Mitgliedsstaaten erörtert wird. Das Kompromisspapier, das unserer Zeitung vorliegt, soll Basis dafür sein, bis Ende des Monats auf Ministerebene eine Einigung zu erzielen. Malta lehnt sich im Wesentlichen an die Vorschläge an, die die EU-Kommission vorgelegt hat. Ein wichtiger Unterschied betrifft die Typgenehmigung.
Dabei prüfen die nationalen Behörden, ob ein neues Modell die einschlägigen Vorschriften etwa zur Sicherheit bei Unfällen, aber auch beim Schadstoffausstoß und beim Kraftstoffverbrauch einhält. Die Kommission hatte vorgeschlagen, dass die Typgenehmigung alle fünf Jahre ausläuft. Das Parlament hatte sich für sieben Jahre ausgesprochen. Maltas Vorschlag kommt nun ganz ohne Jahresangabe aus, wohl um die Diskussion überhaupt erst einmal wieder in Gang zu bringen. Bislang konnte die Typgenehmigung unbegrenzt gültig sein.
Mittlerweile ist VW mit seinem Golf bereits beim siebten Modell angekommen. Doch die Typgenehmigung stammt noch vom Ur-Golf aus den 70er Jahren. Auffällig ist, dass das Kompromisspapier aus Malta wenig Ehrgeiz erkennen lässt, die nationalen Zulassungsbehörden neuen Kontrollmechanismen der EU zu unterwerfen.
Das Papier aus Malta könnte aber genau deswegen Bewegung in die fest gefahrene Debatte bringen. Hintergrund ist, dass mehrere Mitgliedsstaaten es bislang strikt ablehnen, der EU-Kommission Kontrollmöglichkeiten über die Arbeit der nationalen Zulassungsbehörden zu geben. Auch die Bundesregierung ist hier eher zögerlich. Aus dem federführenden Bundesverkehrsministerium hieß es: "Deutschland vertritt die Auffassung, dass der aktuelle Vorschlag zur Typgenehmigung und Marktüberwachung nicht weit genug geht." Die Vorschriften müssten mit klar definierten Verfahren ausgestattet werden. Dazu habe Berlin der Ratspräsidentschaft Vorschläge übermittelt. Der Binnenmarktexperte im Europaparlament, Andreas Schwab (CDU), unterstützt den Vorschlag der maltesischen Regierung. "Wir brauchen eine Zusammenarbeit der nationalen Zulassungsbehörden und keine Konkurrenz", sagte Schwab gegenüber unserer Zeitung. Kritisch sieht er dagegen den Plan, dass die Mitgliedsstaaten künftig Gebühren für die Marktaufsicht erheben können. "Das ist eine versteckte PKW-Steuer. Die Marktaufsicht muss aus dem allgemeinen Haushalt finanziert werden!"

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort