EU-Reform light

Paris/Berlin · Der Europa-Gipfel befasst sich diese Woche mit den Reformvorschlägen von Emmanuel Macron. Die Streitfragen sollen dabei aber ausgeklammert werden.

Paris/Berlin Das Thema steht beim Frühstück am Freitag auf dem Programm: Bei Kaffee und Croissants sprechen die EU-Staats- und Regierungschefs über die Reformpläne von Emmanuel Macron. Viel kann der französische Präsident vom EU-Gipfel nicht zu seiner Initiative erwarten, denn mit Deutschland und Österreich sitzen zwei Länder am Tisch, die nach der Wahl noch keine neue Regierung haben. Christian Lindner warnte bereits vor Festlegungen in Brüssel. "Deutschland ist gegenwärtig nicht entscheidungsfähig", sagte der FDP-Chef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Im Klartext heißt das, dass die Vorschläge Macrons auf die lange Bank geschoben werden. Der Schwung, auf den der 39-Jährige mit seiner engagierten Rede an der Pariser Sorbonne hoffte, droht zu verpuffen. Dabei hatte der frühere Wirtschaftsminister seine Ansprache nur zwei Tage nach der Bundestagswahl eng mit Angela Merkel abgestimmt.
"Sie hat sogar den Text meiner Rede vorab erhalten", sagte er dem Spiegel. Die Bundeskanzlerin nutzte den Vertrauensvorschuss nicht, um den Präsidenten zu stoppen. "Was ich ihr hoch anrechne: Zu keinem Moment hat sie versucht, meinen Elan, meinen Eifer zu bremsen."
Dabei sind unter Macrons Vorschlägen einige, die Merkel nicht passen. Zum Beispiel die zur Reform der Euro-Zone. Der 39-Jährige will ein eigenes Budget, einen Finanzminister und ein Parlament, das den Haushalt kontrolliert. Dass er das heikle Thema erst am Ende seiner Ansprache anschnitt, war eine Geste Richtung Berlin. Dennoch verhinderte er damit nicht, dass die Diskussion sich dort auf die Euro-Fragen begrenzte. "Man hat sich auf die Frage der Finanzierung eines Budgets der Euro-Zone eingeschossen, statt das Gesamtkonzept zu betrachten", kritisiert Dominik Grillmayer vom Deutsch-Französischen Institut in Ludwigsburg. Dennoch ist er zuversichtlich, dass von deutscher Seite Kompromissbereitschaft besteht. "Es ist im tiefsten deutschen Interesse, Macron nicht scheitern zu sehen."
Wo die Kompromisslinien bei einer Reform der Euro-Zone liegen könnten, hatten 15 Ökonomen aus Deutschland und Frankreich am Tag nach Macrons Rede aufgezeigt. "Leitgedanke sollte hierbei die Stärkung der Marktdisziplin sowie der Risikoteilung sein", hieß es in dem Beitrag für die FAZ.
Die Autoren forderten beide Länder auf, sich zu bewegen. "Beharren beide Seiten auf ihren gegenwärtigen Positionen, dann ist der Ausgang des aufkeimenden deutsch-französischen Reformimpulses vorhersehbar - und deprimierend."
Wie es mit dem Reformprojekt weitergeht, soll ein Gipfel der Euro-Zone im Dezember zeigen. Die anderen Ideen Macrons hat EU-Ratspräsident Donald Tusk schon einmal geprüft. In seinem Einladungsschreiben für das Ratstreffen am Donnerstag und Freitag präsentierte er eine Light-Version von Macrons Projekt. Die EU müsse sich auf "praktische Lösungen für die wahren Probleme der EU-Bürger konzentrieren", forderte er ganz im Sinne des französischen Präsidenten, der für mehr Effizienz plädiert.
In der Frage eines Europas der zwei Geschwindigkeiten, das Tusk ablehnt, ging er einen Schritt auf den französischen Staatschef zu: Wenn es in Streitfragen keine Einigkeit gebe, könnten zumindest einzelne Staaten die Maßnahmen umsetzen "so, wie die Verträge es vorsehen". Auch häufigere Treffen der Staats- und Regierungschefs sollen helfen, schwierige Themen schneller voranzubringen. Macrons Vorschlag von Bürgerkonventen, die über die Zukunft Europas debattieren sollen, griff Tusk ebenfalls auf: "Wir sollten uns von neuen Ideen inspirieren lassen, wie über Europa diskutiert werden kann."
Damit klammerte Tusk den zweiten Vorschlag Macrons für ein "demokratisches Europa" wohlweislich aus: die länderübergreifenden Listen, die nach den Vorstellungen des Staatschefs schon bei den Europawahlen 2019 antreten sollen. "Das ist ein kompliziertes Thema", räumte der Elysée bereits ein.
"Das Europa, das wir kennen, ist zu schwach, zu langsam, zu ineffizient", kritisierte Macron an der Sorbonne. Die kommenden Monate werden zeigen, ob es dabei bleibt.

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