"Eure Väter werden Mörder sein"

Washington. Spießrutenlauf an US-amerikanischen Schulen: Wer sich öffentlich gegen die umstrittene Irak-Politik von Präsident Bush äußert, muss mit Sanktionen rechnen.

Eigentlich gäbe es keinen Grund für die zahlreichen in derSporthalle versammelten Reporter und Kamerateams, über die18-jährige Toni Smith zu berichten. Sie ist eine mittelmäßigeSchülerin und eine ebenso durchschnittliche Basketball-Spielerin,die für ihr Team - den Bezirksklassenverein Manhattanville imBundesstaat New York - gerade einmal zwei Körbe im letzten Spielwarf. Doch sobald vor Spielbeginn die Nationalhymne vom Band läuft und die US-Flagge aufgezogen wird, wird das Mädchen zum Ereignis - und nationalen Ärgernis. Sie pflegt, aus Protest gegen die Kriegspläne von US-Präsident Bush, dem Sternenbanner stets nur den Rücken zuzuwenden, während ihre Team-Kolleginnen mit Blick auf die Flagge brav die Hand aufs Herz legen - im patriotischen Amerika für die meisten Bürger ein unerträglicher Vorgang.

Jene, die Toni Smith zur Rede stellen, werden mit handfesten Meinungen konfrontiert. "Bush sollte sich lieber um die Probleme im Land kümmern, wo Reiche immer reicher und Arme immer ärmer werden." Und: "Ein Krieg gegen den Irak wird dazu führen, dass tausende von Frauen und Kinder sterben."

Die ungewöhnliche Protest-Aktion der Sportlerin hat mittlerweile dazu geführt, dass zu jedem Spiel unerwartete Besucher auftauchen: Kriegsveteranen, die das Mädchen mit "USA! USA!"-Rufen und dem dauerhaften Schwenken einer großen Fahne konfrontieren. Andere Fans zeigen ihren Unmut, indem sie aufstehen und der Spielerin den Rücken zukehren, sobald diese den Ball erhält. Jeder Auftritt wird deshalb für das Mädchen zum Spießrutenlauf, und Eltern fordern bereits den Ausschluss von Toni Smith aus dem Team.

Auch andere, die abseits der gewohnten Bahnen ihren Protest gegen eine Militär-Aktion artikulieren, müssen mit harschen Reaktionen oder gar Sanktionen rechnen, obwohl bereits die Hälfte aller Amerikaner eine Irak-Invasion von einer weiteren UN-Resolution abgesegnet wissen will. Bretton Barber, ein Oberschüler aus Michigan, wurde vom Unterricht suspendiert, nachdem er mit einem T-Shirt erschienen war, das neben einem Foto von US-Präsident Bush den Aufdruck "International Terrorist" trägt. Barber will nun mit Hilfe der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung und unter Verweis auf die von der Verfassung garantierte Meinungsfreiheit eine Wiederzulassung erzwingen.

Kritikern droht Strafe

Überhaupt werden die Bildungsstätten in den USA immer mehr zum Schauplatz eines Meinungs-Krieges. Sanktionen bis hin zur Entlassung stehen nun im US-Bundesstaat Maine rund 30 Lehrern ins Haus. Sie hatten aus ihrer Abneigung gegen eine Irak-Invasion im Unterricht keinen Hehl gemacht, dabei teilweise aber auch sieben- bis zehnjährige Kinder von Militär-Angehörigen mit Aussagen konfrontiert wie: "Eure Väter werden im Irak zu Mördern werden." Die Kinder seien daraufhin weinend nach Hause gekommen, berichteten nun Eltern in schriftlichen Eingaben an die jeweilige Schulverwaltung.

Soldaten-Vertreter wollen nun in den nächsten Tagen durch persönliche Besuche bei Schul-Direktoren dafür sorgen, dass "diese politischen Ideologien nicht unseren Kindern schaden", so ein Sprecher der Nationalgarde.

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