Euro-Reformdebatte nimmt Fahrt auf

Brüssel · Der Reformbedarf ist erkannt. Wann aber gelingt der nötige Umbau der Währungsunion? Im Jahr 2017?

Brüssel. Auf der Tagesordnung europäischer Gipfel ist der große Wurf schon oft gestanden. Als der sofortige Kollaps der Währungsunion mit milliardenschweren Rettungsschirmen verhindert war, beauftragten die Staats- und Regierungschefs im Juni 2012 die EU-Spitzen, einen Plan für die Zukunft auszuarbeiten. Kanzlerin Angela Merkel stand hernach jedoch fast allein auf weiter Flur mit der Forderung nach Vertragsänderungen, um den Euro auf stabilere Füße zu stellen - zu groß war die Sorge in Ländern mit Volksabstimmungen, ausgerechnet jetzt Macht ins ungeliebte Brüssel zu verlagern.
Erst sollte die Europawahl 2014 abgewartet werden. Kurz vor dem Höhepunkt der nächsten Griechenland-Eskalation Ende Mai zogen Merkel und Frankreichs Staatschef François Hollande erneut die Reißleine. Bis 2017 will man sich um das kümmern, was irgendwie im Rahmen der bestehenden Rechtsordnung Europas möglich ist, ehe dann - nach Bundestags- und französischer Präsidentschaftswahl - eine Vertragsänderungen notwendig machende Großreform angepackt werden könnte.
Immer wieder ist auch von einer "technischen", kleinen Vertragsreform zu hören. Sie könnte manche Konstruktionsschwächen beseitigen, erfordert aber keinen großen Konvent mit dem Europaparlament und auch weniger Referenden. Zurzeit ist die Zögerlichkeit besonders groß. "Kaum ein Regierungschef will jetzt sein politisches Kapital für eine große Euro-Reform einsetzen", meint ein Regierungsvertreter Belgiens angesichts der so aufgeheizten Flüchtlingsdebatte: "Die Zukunft des Euro steht nirgends weit oben auf der Agenda, obwohl sie das sollte."
Die Geburtsfehler des Euro werden also frühestens 2017 in Angriff genommen, wenn die 1999 eingeführte Einheitswährung 18 Jahre alt und quasi erwachsen wird? Nicht ganz. Überraschend schnell wird im politischen Betrieb die jüngste Reformvorlage diskutiert, der sogenannte "Fünf-Präsidenten-Bericht" von Ende Juni. Und obwohl auch Jean-Claude Juncker, Donald Tusk, Mario Draghi, Jeroen Dijsselbloem und Martin Schulz als Spitzen der EU-Organe die "zweite Phase zur Vervollständigung der Wirtschafts- und Währungsunion" erst im Juli 2017 beginnen lassen wollen, wird sie, wie beim jüngsten Finanzministertreffen, bereits eifrig debattiert. "Es macht keinen Sinn, nur über kurzfristig mögliche Reformen zu reden, wenn wir nicht wissen, wo wir langfristig hinsteuern", hieß es in Kreisen der Europäischen Zentralbank. "Die Richtung, in die sich die Währungsunion entwickeln soll, muss jetzt diskutiert werden", meinte Bundesbankchef Jens Weidmann.
Die Büchse der Pandora


Auch in der Delegation von Wolfgang Schäuble, der schon einige Zukunftspläne zu Papier gebracht hat, war davon die Rede, dass es "vor 2017 keine Denkverbote geben darf, vor allem im Kontext mit der britischen Geschichte". Den Briten, die vor ihrem Referendum weitgehende Reformforderungen an die EU stellen, soll zwar nicht die Möglichkeit gegeben werden, bei offenen Verträgen Grundlagen der europäischen Einigung infrage zu stellen. "Das", sagt ein ranghoher EU-Diplomat, "würde die Büchse der Pandora öffnen." Wohl aber könnten Premier David Cameron, wie er selbst schon angedeutet hat, feste Zusagen für eine spätere Vertragsänderung gegeben werden. Dazu muss geredet werden - schon jetzt.

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