"Europa braucht ein Investitionsprogramm" - DGB-Vorstandsmitglied Körzell im TV-Interview

Berlin · Das DGB-Vorstandsmitglied begrüßt die Vorschläge des neuen französischen Präsidenten Macron für die Euro-Zone.

"Europa braucht ein Investitionsprogramm" - DGB-Vorstandsmitglied Körzell im TV-Interview
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Auf Einladung des DGB kommen an diesem Mittwoch Spitzenvertreter von Gewerkschaften, Politik und Wirtschaftsforschung in Berlin zusammen, um über Konsequenzen aus der globalisierungskritischen Stimmung in Deutschland und Europa zu diskutieren. Unser Korrespondent Stefan Vetter sprach darüber mit DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell.

Herr Körzell, Frankreichs neuer Präsident Macron will einen eigenen Haushalt sowie einen Finanzminister für die Euro-Zone. Ist der DGB auf seiner Seite?
KÖRZELL Die Vorschläge gehen in die richtige Richtung. Der neue Präsident will ein eigenes Budget für die Euro-Zone, das auch parlamentarisch kontrolliert wird. Damit können gezielt Investitionen ausgelöst werden, um den wirtschaftlichen Problemen in einzelnen EU-Ländern entgegenzuwirken.

Warum ist das für den DGB so wichtig? Ihre Organisation muss sich doch in erster Linie deutschen Arbeitnehmerinteressen verpflichtet fühlen.
KÖRZELL Gerade in Frankreich haben wir die Situation, dass es bei den nächsten Wahlen in fünf Jahren tatsächlich zu einer Machtübernahme der Rechtsextremen kommen kann, wenn dem Land ein wirtschaftlicher Aufschwung versagt bleibt. Und das hätte negative Konsequenzen für ganz Europa, auch für deutsche Arbeitsplätze.

Dass sich viele Menschen in Deutschland durch eine weitere Europäisierung der Politik erst recht "fremdbestimmt" fühlen könnten, stört Sie nicht?
KÖRZELL Wenn sich die Politik tatsächlich den Beschäftigten zuwendet und die Vorteile Europas deutlich macht, dann sind solche Befürchtungen unbegründet. Gerade Deutschland profitiert ja am meisten von der Euro-Zone. Dorthin gehen die meisten unserer Exporte.

Gerade die EU-Kommission hat aber jetzt wieder den deutschen Exportüberschuss kritisiert. Müsste der DGB da nicht schon im Interesse der Beschäftigten im Exportbereich gegenhalten?
KÖRZELL Selbstverständlich istder DGB an der Sicherheit der Arbeitsplätze in Deutschland interessiert. Gerade deshalb fordern wir ja ein europäisches Investitionsprogramm in Infrastruktur, Breitbandausbau sowie erneuerbare Energien im Umfang von zwei Prozent des EU-Haushaltsvolumens. Das nützt Deutschland und den anderen EU-Ländern.

Was hätte Frankreich ganz konkret davon, wenn in Deutschland stärker Schulen saniert oder Straßen ausgebaut würden?
KÖRZELL Wenn in Deutschland mehr investiert wird, dann hat das auch stärkere Importe von zum Teil dafür notwendigen Gütern aus dem europäischen Ausland zur Folge. Und das sorgt auch dort für mehr Beschäftigung. Genau auf diesen Zusammenhang hat die EU-Kommission jetzt noch einmal hingewiesen.

Die gleiche Kommission hat auch stärkere Anreize für einen späteren Renteneintritt angemahnt, um den Fachkräftemangel in Deutschland zu lindern. Begrüßen Sie das ebenfalls?
KÖRZELL Nein. Diese Idee geht an den wahren Problemen vorbei. Die Arbeitgeber, die darüber klagen, haben diese Defizite meist selbst zu verantworten. Sie haben zu wenig ausgebildet. In den letzten Jahren blieben unter dem Strich pro Jahrgang mehr als 120 000 Jugendliche ohne Ausbildung. Diese Menschen fehlen nun hier auf dem Arbeitsmarkt. Deshalb brauchen wir mehr Programme, um Engpässe bei Fachkräften durch Fort- und Weiterbildung zu beheben, aber ganz sicher keine Renten-Ratschläge aus Brüssel.
Um Griechenland zu helfen, pocht Außenminister Gabriel auf Schuldenerleichterungen für Athen. Was hält der DGB davon?

KÖRZELL Wir sind dafür. Die griechische Bevölkerung darf nicht weiter mit ökonomisch und sozial unsinnigen Sparprogrammen erdrückt werden. Krisenländer wie Spanien und Portugal erholen sich wirtschaftlich, wenn auch viel zu langsam, weil sie den Sparkurs gelockert haben. Das wäre auch für Griechenland die bessere Antwort. Die griechische Tragödie muss ein Ende haben.

Stefan VetterInterview Stefan KörzelLStefan Körzell ist seit Mai 2014 Mitglied im geschäftsführenden Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Seit 1993 ist er Mitglied der SPD. Körzell ist verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn.

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