Europa Europa und die Migrantenströme

Brüssel · Alle blicken gespannt auf den Mini-Gipfel: Die „Chefs“ von 16 EU-Mitgliedstaaten suchen am Sonntag nach einem Ausweg aus der Asylkrise. Angela Merkel hat es mit vielen Kritikern zu tun.

 Mittelmeer: Das Rettungsschiff Lifeline der deutschen Hilfsorganisation Mission Lifeline (rechts) wird von einem Schiff der libyschen Küstenwache erreicht. Zuvor hatte das Schiff Migranten von einem Schlauchboot im Mittelmeer aufgenommen.

Mittelmeer: Das Rettungsschiff Lifeline der deutschen Hilfsorganisation Mission Lifeline (rechts) wird von einem Schiff der libyschen Küstenwache erreicht. Zuvor hatte das Schiff Migranten von einem Schlauchboot im Mittelmeer aufgenommen.

Foto: dpa/Hermine Poschmann

Der Mini-Gipfel soll den Weg aus der Sackgasse weisen: Am informellen Treffen zum Thema Migration in Brüssel werden am Sonntag 16 Staats- und Regierungschefs teilnehmen. Das Treffen, zu dem EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eingeladen hat, wurde zwischen Juncker, Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Dienstag auf Schloss Meseberg verabredet. Als treibende Kraft gilt Merkel, die Auswege aus dem Konflikt mit Innenminister Horst Seehofer (CSU) sucht. Sie will mit den anderen „Chefs“ ausloten, wie beim offiziellen Gipfel Ende nächster Woche Fortschritte für eine grundlegende Reform des Asylsystems in der EU errungen werden können.

Die Kanzlerin wird zudem ihre Verhandlungen über Absprachen mit anderen EU-Ländern fortführen, bereits anderswo registrierte Asylbewerber, die in Deutschland ankommen, wieder zurückzuschicken. Angela Merkel erteilte Erwartungen auf einen endgültigen Durchbruch bereits eine Absage: „Wir wissen, dass es am nächsten Donnerstag und Freitag auf dem EU-Rat keine Lösung auf der Ebene der 28 Mitgliedstaaten für das gesamte Paket der Migrationsfragen geben wird.“

Nach derzeitigem Stand werden am Mini-Gipfel nicht teilnehmen: Die vier „Visegrad“-Staaten Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn sowie Großbritannien, Portugal, Irland, Zypern, Rumänien und die baltischen Staaten. Auch EU-Ratspräsident Donald Tusk wird nicht dabei sein. In Brüssel wird dies damit erklärt, dass Tusk, der als Gastgeber die EU-Gipfel moderiert, nur an Treffen teilnehmen wolle, bei denen alle Mitgliedstaaten dabei sind. Juncker hatte alle Mitgliedstaaten eingeladen, „die sich dafür interessieren, Lösungen vor dem Gipfel zu erarbeiten“.

Es wird nicht damit gerechnet, dass bei dem auf vier Stunden angesetzten Treffen am Sonntag konkrete Beschlüsse gefasst werden. Klar ist, dass es noch gravierende Differenzen unter den Staats- und Regierungschefs gibt. Merkel will europäische Lösungen. Sie will nationale Alleingänge verhindern – wie etwa das Schließen von Grenzen und neue Kontrollen an weiteren Grenzen. Sie pocht darauf, dass bei besonders hohen Zahlen Asylbewerber unter den EU-Staaten verteilt werden.

Das ist der einzige Punkt, in dem Merkel mit Italien übereinstimmt. Der italienische Innenminister Matteo Salvini, der der rechtspopulistischen Lega angehört, sagte auf Asylbewerber gemünzt: „Wir wollen ein paar abgeben.“ Italien ist ansonsten auf einer Linie mit Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz, der für eine härtere Gangart steht. Salvini und Kurz wollen vor allem über eine Sicherung der Grenzen reden und möglichst wenige Flüchtlinge ins Land lassen.

Kurz rechnet mit einem „Domino-Effekt“, falls Deutschland registrierte Asylbewerber nach Österreich zurückschickt, wie es Seehofer will: „Wir würden alles tun, was erforderlich ist, um unsere Grenzen zu schützen. Das würde die Grenzsicherung am Brenner bedeuten.“ Salvini sagte: „Wir können keinen einzigen mehr aufnehmen.“ Nach massivem Protest Italiens war der Entwurf eines Abschlussdokuments zurückgezogen worden, der zwischenzeitlich zirkulierte. Darin hatte sich eine Formulierung gefunden, die nationalen Alleingängen eine Absage erteilte und in Rom und Wien als Parteinahme der Kommission für Merkel verstanden wurde. Der Satz lautete: „Einseitige, unkoordinierte Maßnahmen wären nicht nur weniger effektiv, sie würden vielmehr dem Prozess der Vertiefung Europas schaden und die Errungenschaften Schengens gefährden.“

Die Staats- und Regierungschefs von Österreich, Dänemark und Frankreich haben in einem Punkt ähnliche Interessen: Sie machen sich stark dafür, dass außerhalb der EU Zentren geschaffen werden, in denen geprüft werden soll, ob Migranten eine Chance darauf haben, innerhalb der EU Anspruch auf Asyl zu bekommen. Derartige Zentren sollen dazu dienen, um Migranten davon abzuhalten, sich Menschenhändlern anzuvertrauen und sich auf die gefährliche Reise über das Mittelmeer zu begeben.

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