Ex-Messdiener brechen Schweigen: Von Kaplan missbraucht

Immer mehr Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche kommen ans Licht: Obwohl ein Kaplan in den 1960er Jahren einen Jugendlichen in einer Eifel-Pfarrei sexuell missbraucht hatte, wurde er in eine Pfarrei in Trier versetzt. Dort soll er ehemalige Messdiener sexuell missbraucht haben.

 Ministranten richten in einer Sakristei ein Weihrauchfass für den Altardienst her. Symbol-Foto: dpa

Ministranten richten in einer Sakristei ein Weihrauchfass für den Altardienst her. Symbol-Foto: dpa

Trier/Gerolstein. Die Berichterstattung über sexuellen Missbrauch hat auch traumatische Erinnerungen von sechs ehemaligen Messdienern einer Trierer Pfarrei hervorgeholt: "Nach der Messe befingerte der Kaplan uns Ministranten im Genitalbereich", sagt ein Mann, der in der Region Trier lebt und anonym bleiben möchte. "Wir waren fassungslos!" Der sexuelle Missbrauch habe in der Sakristei stattgefunden. "Einigen machte er auch das Angebot, ihn aufs Zimmer zu begleiten." Der Missbrauch sei ein offenes Geheimnis unter den Ministranten gewesen. Heute weiß der Mann, der das berichtet, dass sich einige Betroffene damals erfolglos ihren Eltern anvertraut hatten. Als Erwachsener glaubt er, die Gründe der Eltern, die Beschwerden ignorierten oder verdrängten, zu kennen: "Die Autorität dieses kirchlichen Würdenträgers war unantastbar!" Fatal sei gewesen, dass der Kaplan sehr charismatisch gewesen sei. Der Ex-Ministrant schildert ihn als jugendlich, dynamisch, "einer, der als sehr fortschrittlich galt und alltagstauglich predigte".

Nicht nur in der Kirche hatten die Katholiken mit ihm zu tun: Er war auch Religionslehrer und Fußballtrainer. Die Pfarreien-Mannschaft habe mehr Zuschauer herbeigelockt als die Spiele der Mannschaft des Sportvereins. "Wir hatten keine Chance, Gehör zu finden, wir Kinder waren mit dem sexuellen Missbrauch auf uns alleine gestellt." Nach Jahrzehnten des Schweigens haben die betroffenen Ex-Messdiener Kontakt miteinander aufgenommen, "um über das Erlebte zu sprechen und um die Aufklärung voranzutreiben". Auf TV-Anfrage teilte Stephan Kronenburg, Pressesprecher des Bistums Trier, mit, dass es in den Akten keine Hinweise auf Missbrauchsfälle in der betroffenen Pfarrei gebe. "Allerdings ergibt die Aktenlage, dass es auf der ersten Kaplansstelle des Beschuldigten im heutigen Vulkaneifelkreis zu einem Fall sexuellen Missbrauchs gekommen ist." Das habe der damals 31-Jährige auch gestanden.

Aus diesem Fall seien damals allerdings keine Konsequenzen gezogen worden, sagt Prälat Rainer Scherschel, Beauftragter des Bistums Trier für sexuellen Missbrauch. "Das war sicher ein schwerer Fehler", räumt Scherschel ein.

Der gebürtige Saarländer wurde nach dem regulären Ende seiner Kaplanszeit Pfarrer im heutigen Eifelkreis Bitburg-Prüm. Nachdem er in dem Ort eine Frau geschwängert und geheiratet hatte, schied er 1973 aus dem Priesteramt aus, die Familie zog weg. Zuvor soll es aber auch in dieser Pfarrei zu Übergriffen gekommen sein. "Er konnte seine Finger nicht an sich halten", erinnert sich ein Einwohner, "vor allem junge Mädchen mussten vorsichtig sein." Dass der "Herr Pastor" sich damals auch an Jungen des Dorfs vergriffen habe, sei ihm jedenfalls nicht zu Ohren gekommen, sagt der Eifeler.

Der Bistumsbeauftragte Scherschel sagt, dass das Bistum eine lückenlose Aufklärung möglicher Missbrauchsfälle wolle: "Für Fehler in der Vergangenheit können wir uns nur entschuldigen."

Bei den ehemaligen Ministranten wirkt der sexuelle Missbrauch nach: Ein Ministrant verspürt "eine unglaubliche Wut", wenn er an das Geschehene denkt.

Und: "Geblieben ist ein generelles Misstrauen gegenüber der Institution Kirche." Extra Anlaufstelle: Menschen, die im Bistum Trier Opfer sexuellen Missbrauchs durch Priester oder hauptamtliche Mitarbeiter der Kirche geworden sind, können sich an den Beauftragten für sexuellen Missbrauch beim Bistum Trier, Prälat Rainer Scherschel, wenden. Telefon: 0651/7105-220, Oder auch per E-Mail: rainer.scherschel@bgv-trier.de

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