Parteien Ex-Richter Maier und die Volksverhetzung

Berlin · Die AfD sieht Deutsche zu wenig vor Beschimpfungen geschützt. Der Rest des Bundestages ist nicht dieser Meinung.

 Jens Maier (AfD) spricht im Deutschen Bundestag.

Jens Maier (AfD) spricht im Deutschen Bundestag.

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

War es eine gute Idee, dass ausgerechnet Jens Maier am Freitag einen Antrag zur Volksverhetzung im Bundestag einbrachte? Selbst in der AfD-Fraktion hatte es zuvor Bedenken gegeben. Denn der 56-jährige Ex-Richter aus Sachsen ist auch nach Maßstäben der Rechtspopulisten ziemlich extrem.

Maier hatte einen Antrag formuliert, der forderte, den Tatbestand der „Volksverhetzung“ nicht nur auf Minderheiten anzuwenden, sondern auch auf „die deutsche Bevölkerung“ als solche.

Maier bezog sich auf Fälle, wo Ausländer Deutsche als „Scheiß-Deutsche“, „Hundeclan“ oder „deutsche Kartoffel“ bezeichnet hatten und angeblich nicht belangt worden waren.

Freilich hielten Juristen wie der FDP-Abgeordnete Jürgen Martens oder SPD-Mann Karl-Heinz Brunner dem Antragsteller mangelnde Sachkenntnis vor. Der Paragraf 130 gegen „Volksverhetzung“ ziele auf den Versuch, den öffentlichen Frieden zu stören und Gruppen gegeneinanderzuhetzen. Er gelte für alle und es gebe kein einziges Urteil, wo das anders gehandhabt worden sei. Bei den von Maier genannten Fällen handele es sich um individuelle Beleidigungen gegen einzelne Personen, nicht gegen Volksgruppen, die unter andere Paragrafen fielen und dann ebenfalls geahndet werden könnten.

Etliche Redner hielten Maier vor, den Paragrafen zur Volksverhetzung mit seinem Vorstoß in Wahrheit kippen zu wollen. Tatsächlich sagte Maier in der von zahlreichen Zwischenfragen und einem Ordnungsruf geprägten Debatte, der Paragraf 130 sei „ein Kampfmittel gegen uns“. Später bestritt er aber, dessen Abschaffung gefordert zu haben. Er habe sich nur einmal „ins Blaue hinein“ so geäußert. Maier ist Anhänger des Thüringer AfD-Rechtsauslegers Björn Höcke, der den Volksverhetzungsparagrafen ebenfalls infrage gestellt hat.

Die Hauptangriffslinie der Redner der anderen Fraktionen aber war die Tatsache, dass Maier selbst schon häufiger mit Hetzparolen aufgefallen ist. So hatte er die NS-Aufar­beitung einmal als „Schuldkult“ und „Umerziehung“ bezeichnet und Verständnis für den nationalistischen norwegischen Massenmörder Brevik („Verzweiflung“) geäußert. Zuletzt machte Maier Schlagzeilen, weil er auf Facebook den Sohn von Boris Becker als „Halbneger“ bezeichnet hatte. Auf Betreiben von Noah Becker läuft deshalb noch ein förmliches Ermittlungsverfahren. Wegen dieses Vorganges gab es AfD-intern im Vorfeld eine Diskussion, ob man sich öffentlich nicht angreifbar mache, wenn Maier für den Antrag spreche. Die Fraktionsspitze sah das jedoch anders: „Herr Maier ist als ehemaliger Richter fach- und sachkundig, um diesen Antrag einzubringen“, so Geschäftsführer Bernd Baumann gegenüber unserer Redaktion.

Maier hat sich inzwischen bei Noah Becker entschuldigt und erklärt, nicht er, sondern einer seiner Mitarbeiter habe den Eintrag ohne sein Wissen verfasst. Noch am Dienstag griff der AfD-Mann aber im Gegenzug Noah Becker vor Journalisten an, weil der laut Maier Berlin einmal eine „zu weiße Stadt“ genannt habe. „Genau das ist mein Thema mit meinem Antrag“, sagte Maier dazu. „Der eine darf das, der andere darf das nicht.“ Freilich, Noah Becker hatte sich in Wirklichkeit ganz anders geäußert. Er hatte gesagt: „Ja, auch ich bin wegen meiner braunen Hautfarbe attackiert worden. Im Vergleich zu London oder Paris ist Berlin eine weiße Stadt.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort