Experten: Angeklagter vorverurteilt

Trier · Welche Rolle haben die Medien im Fall Kachelmann gespielt? Eine nicht unbedeutende, sagen der Trierer Kriminologe Hans-Heiner Kühne und der Medienwissenschaftler Christoph Barth von der Universität Trier.

Trier. Der Druck der Medien und damit auch der Öffentlichkeit im Kachelmann-Prozess sei enorm gewesen. So enorm, dass es für die Staatsanwaltschaft "unter diesen Bedingungen fast unmöglich war, ein objektives Ermittlungsverfahren durchzuführen", sagt der Trierer Kriminologe Hans-Heiner Kühne. "Das", so Kühne, "hat der deutschen Justiz nicht gutgetan." Allerdings sei die Staatsanwaltschaft auch in einer schwierigen Position: Einerseits habe sie die Öffentlichkeit zu informieren, andererseits habe sie die Interessen der Beschuldigten im Sinne der Unschuldsvermutung zu wahren. Im Fall Kachelmann habe sich die Staatsanwaltschaft einen Fehltritt geleistet, indem sie Informationen an die Öffentlichkeit gegeben habe, die das Verfahren erschwert hätten, sagt Kühne.
Der Prozess sei durch die öffentliche Berichterstattung und die damit verbundene Vorverurteilung Kachelmanns beeinflusst worden, sagt der Trierer Medienwissenschaftler Christoph Barth. Nicht, was die Urteilsfindung, aber was den Verlauf angehe. Auch Prominenten müssten Persönlichkeitsrechte zugestanden werden. Das habe die Staatsanwaltschaft im Falle des Wettermoderators missachtet, indem sie bereits bei seiner Verhaftung den Namen genannt habe und später auch Details aus der Anklage veröffentlicht habe.
Es sei nicht das erste Mal, dass ein Prominenter durch massive Medienberichterstattung vorverurteilt wurde, sagt Barth und erinnert an den Freispruch des ebenfalls wegen Vergewaltigung angeklagten Ex-ZDF-Moderators Andreas Türck vor sechs Jahren. Im Zeitalter von Online-Medien wie Blogs oder Twitter sei es mittlerweile aber noch schwieriger, den Informationsfluss zu kontrollieren. Kachelmann habe trotz des Freispruchs allein durch das Bekanntwerden pikanter Details aus seinem Liebesleben Schaden genommen, ist sich Barth sicher. Daher hält er eine Rückkehr des 52-Jährigen auf den Bildschirm in dem Maße wie früher für ausgeschlossen. wie

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