Fast jeder Zehnte hat seinen Job nur auf Zeit

Berlin · Die Zahl der befristeten Arbeitsverhältnisse ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Auch die Bundesregierung bildet da keine Ausnahme.

Berlin. Nach Angaben der Bundesregierung selbst liegt der Anteil der befristet Beschäftigten in einigen Ministerien sogar deutlich über dem Bundestrend.
So hat etwa im Bundeswirtschaftsministerium mehr als jeder dritte Beschäftigte (35 Prozent) nur einen Arbeitsvertrag auf Zeit. Gleiches gilt für das Gesundheitsministerium. Im Landwirtschaftsministerium trifft das auf gut jeden fünften Mitarbeiter (21,2 Prozent) zu. Und selbst im Bereich des Arbeits- und Sozialministeriums ist mehr als jeder zehnte Beschäftigte (11,1 Prozent) nur befristet angestellt. Dabei sollte sozialpolitisch betrachtet eigentlich das unbefristete Arbeitsverhältnis der Regelfall sein.
Dass stattdessen der Arbeitsvertrag auf Zeit in Deutschland längst zur Normalität gehört, zeigt auch eine im Vorjahr veröffentlichte Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. Demnach ist die Zahl der befristeten Jobs zwischen 2001 und 2011 von rund 1,7 Millionen auf 2,7 Millionen gestiegen. Damit ist inzwischen fast jeder zehnte sozialversicherungspflichtige Arbeitsplatz in Deutschland eine befristete Stelle.
Kritik von Gewerkschaften


Mittlerweile muss sich fast jeder zweite neu eingestellte Arbeitnehmer mit einem solchen Job begnügen. Und genauso wie in den Bundesministerien unterscheidet sich auch die Befristungspraxis in den einzelnen Wirtschaftszweigen zum Teil erheblich voneinander. So sind etwa im Sektor Information und Kommunikation nur 15 Prozent der Neueinstellungen befristet. Im Bereich der Nahrungs- und Genussmittelindustrie sind es dagegen 63 Prozent.
Spitzenreiter ist die öffentliche Verwaltung mit 68 Prozent. Dabei werden Frauen grundsätzlich häufiger befristet beschäftigt als Männer. Im Jahr 2011 betrug der Anteil befristeter Verträge an der betrieblichen Gesamtbeschäftigung bei Frauen neun Prozent. Bei den Männern waren es nur 6,5 Prozent.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass sich der Trend, über kurz oder lang in eine dauerhafte Beschäftigung zu kommen, in den vergangenen zehn Jahren ebenfalls verstärkt hat. So lag die Übernahmequote von vormals befristetet eingestellten Arbeitnehmern 2001 nur bei 42 Prozent. Im Jahr 2011 waren es bereits 56 Prozent. Insofern können sich Befürworter einer arbeitsmarktpolitischen Deregulierung bestätigt fühlen. Denn mit der weitgehenden Möglichkeit befristeter Jobs, die übrigens noch auf die rot-grüne Bundesregierung zurückgeht, ist offenbar auch die Hemmschwelle für Neueinstellungen in den Unternehmen gesunken.
Bei den Gewerkschaften denkt man darüber allerdings ganz anders. "Viele Arbeitgeber missbrauchen die Möglichkeit zur Befristung als verlängerte Probezeit oder nutzen sie, um den Kündigungsschutz zu umgehen", kritisierte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach gegenüber unserer Zeitung.
Gerade junge Berufsseinsteiger wüssten kaum noch, was ein unbefristeter Arbeitsplatz sei. Deshalb müsse die Befristung eingedämmt werden. "Die Mehrheit der Befristungen erfolgt ohne Sachgrund, das heißt, es gibt keine plausiblen betrieblichen Gründe für die Befristung", erläuterte Buntenbach. "Wir fordern deshalb als ersten Schritt, die Möglichkeit zur sachgrundlosen Befristung des Arbeitsverhältnisses abzuschaffen."

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