(Fast) keine Extrawürste für Beamte

TRIER. Immer die Beamten: Wenn es um Vorurteile gegenüber den Staatsdienern geht, ist keine Parole zu platt. Auch bei der Gesundheitsreform sollen sie im Verhältnis zu Beschäftigten der Privatwirtschaft Vorteile haben - angeblich.

"Die Beamten kommen mal wieder ungeschoren davon", "Extrawürste für die Staatsdiener", "Typisch Beamte, nichts schaffen und auch nichts bezahlen". Volkes Stimme in Sachen Staatsdiener lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Die Gesundheitsreform hat die Vorurteile gegenüber den Beamten wieder einmal geschürt. Zunächst sah es so aus, dass Lehrer & Co. von den Zuzahlungen und der Praxisgebühr verschont blieben. Sie sollten nur eine jährliche Pauschale von 20 Euro als Praxisgebühr zahlen. Doch nach der ersten teils sehr heftigen Kritik vor allem von den Stammtischen der Nation sah sich Bundesinnenminister Schily gezwungen, die Verordnung in Windeseile zu ändern und auch die Beamten zur Kasse zu bitten. Jetzt werden ihnen pro Jahr 40 Euro von der staatlichen Beihilfe, die Hälfte der Behandlungskosten, abgezogen. Zumindest den Bundesbeamten wie etwa Lokführern. In den Ländern gelten unterschiedliche Regelungen. TV -Leser legt Abrechung offen

Fakt ist: Beamte sind privat versichert. Behandlungskosten rechnen sie zur Hälfte mit der Versicherung und zur anderen Hälfte mit der staatlichen Beihilfestelle ab. Diese Beihilfe übernimmt quasi den Arbeitgeberanteil. Nach Schilys eiligen Änderungen mindert sich der Beihilfe-Beitrag an die Bundes-Beamten um zehn Euro je Vierteljahr und zwar je Beihilfeberechtigten und je Angehörigen für jeden ersten Arzt-, Zahnarzt- oder Psychotherapeuten-Besuch. "Es gibt keine Extrawürste für Beamte", stellte das Bundesinnenministerium nach dem aufgebauschten Proteststurm klar. Ein Leser (Beamter) hat dem TV eine ausführliche Gehaltsabrechnung und Beihilfeabrechnung zur Verfügung gestellt, als Beweis dafür, dass "völlig zu Unrecht immer Stimmung gegen die Beamten" gemacht werde. Von seinem Nettoverdienst (Besoldungsgruppe A 13) von 3133,67 Euro muss der 62-Jährige monatlich noch 479,48 Euro für sich und seine nicht berufstätige Frau an die private Krankenversicherung zahlen. Außerdem beteiligt er sich mit einer so genannten Kostendämpfungspauschale, quasi einer lohnabhängigen Selbstbeteiligung von 300 Euro jährlich, wie alle Beamten in Rheinland-Pfalz an den Erstattungen der Beihilfe. "Und das ist unabhängig davon, ob wir etwas mit der Beihilfe abrechnen oder nicht", empört sich der 62-Jährige. Und so bleibt nicht mehr viel übrig von dem Vorurteil, dass Beamte ungeschoren davon kommen bei der Gesundheitsreform. Zwischen 100 und 750 Euro beträgt in Rheinland-Pfalz der Eigenanteil an der Beihilfe. Nicht in allen Bundesländern gibt es diese Kostendämpfung. Uneinheitlich ist auch die Regelung, ob die Landes-Beamten Praxisgebühr und Zuzahlungen leisten müssen oder ob die Beihilfe die Kosten übernimmt.Erst zahlen, dann abrechnen

In Rheinland-Pfalz brauchen die Beamten in den Arztpraxen nichts zu zahlen. Es gibt auch einen Anteil für Brillen, und der Zahnersatz wird wie bei fast allen Privatversicherten übernommen. Dafür ist eben die Eigenbeteiligung höher als in anderen Bundesländern. Die Beamten müssen jede Arztrechnung mit ihrer Versicherung und der Beihilfe abrechnen. Sie treten zunächst in Vorleistung, etwa bei Medikamenten. Die müssen zunächst komplett aus der eigenen Tasche bezahlt werden, danach können die Kosten mit Beihilfe und Versicherung abgerechnet werden. Schlechter gestellt in Sachen Zuzahlungen und Praxisgebühr sind hingegen die Bundesbeamten, etwa die der Bahn. Für sie gelten die gleichen Bestimmungen wie für gesetzlich Versicherte: Die Eigenbeteiligung darf zwei Prozent des Bruttoeinkommens nicht überschreiten, für chronisch Kranke beträgt die Belastungsgrenze ein Prozent. Bei Medikamenten und Heilmitteln zahlen Bundes-Beamte zehn Prozent des Preises, genauso bei Fahrtkosten, im Krankenhaus sind zehn Euro pro Tag fällig. Die Zuzahlungen werden von der Beihilfe-Erstattung einbehalten. Eine Kostenentlastung wie etwa bei den gesetzlichen Versicherungen gebe es durch die Eigenbeteiligung der Beamten bei den Privaten daher nicht, teilt das Bundesinnenministerium mit.Beiträge seit Januar gestiegen

Im Gegenteil: Die Beiträge für die private Krankenversicherung der Beamten seien seit Jahresbeginn gestiegen. Denn im Gegensatz zu den gesetzlichen Krankenkassen wird durch die stärkere Beteiligung der Beamten bei der Beihilfe lediglich der Arbeitgeberanteil gesenkt, nicht aber der Beitragssatz zur Versicherung. Die finanziellen Belastungen der Beamten seien daher mindestens so hoch wie die der gesetzlich Versicherten, tritt der Innenminister den Parolen entgegen.

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