Faszinierendes Denkmal für einen Zweifler

SAARBRÜCKEN. (DiL) Zwei Jahre nach der Uraufführung in Trier hat der Friedrich-Spee-Chor das Publikum beim Katholikentag mit dem geistlichen Chortheater "Der Prophet" von Martin Folz begeistert. Das Werk beschäftigt sich mit dem Namensgeber des Chors, Friedrich Spee von Langenfeld.

Es gibt repräsentativere Veranstaltungsorte beim Katholikentag als die Kirche St. Josef. Sie liegt in einem Stadtteil, wo man einen Moment lang zögert, das Auto in der Nebenstraße abzustellen, so weit weg vom Schuss, dass sie nicht einmal in den Stadtplänen des offiziellen Programms auftaucht. Und trotzdem finden sich gut 250 Zuhörer, die das ungewöhnliche Konzept mit einer Mischung aus Chorgesang, Sprechtexten, Instrumenten- und Elektronikklängen angelockt hat. Vielleicht ist es auch die Auseinandersetzung mit der faszinierenden Figur des Jesuitenpaters, Professors und Querdenkers Friedrich Spee, die die Menschen interessiert. Martin Folz, Komponist und Chorleiter, ist nicht den Weg der Gefälligkeit gegangen. Er nutzt sperrige Ausdrucksmittel, um der sperrigen Persönlichkeit gerecht zu werden. Der Chor flüstert und schreit, formt komplexe Klanggebilde, die sich bisweilen zu Zornesausbrüchen am Rand der Tonalität auftürmen. Aber dann gibt es auch wieder Romantik pur, klassischen Chorgesang, Liedermacher-Anklänge, Gospel-Töne.Das Stück ist den Chören auf den Leib geschrieben

Die Polystilistik wirkt nie beliebig oder gar zusammengestückelt, die Anschlüsse und Übergänge sind fein gearbeitet. Folz hat das Stück "seinen" Chören auf den Leib geschrieben, lotet exakt die Möglichkeiten des "großen" Spee-Chors, des Jugendchors, des Männerkammerchors Ensemble 85 aus, unterstützt von vorzüglichen Instrumentalisten: Kerstin Bludau-Weitzel, Helmut Abel (Akkordeon), Dennis Zimmer, Björn Müller (Percussion) schaffen ein originelles Klangbild, das kein routiniertes Nebenbei-Hören zulässt. Nicht minder spannend als die musikalische Einrichtung ist die inhaltliche und textliche Gestaltung. Carola Ehrt hat Bibelzitate, Spee-Worte, aber auch Texte von Thomas Bernhard, Dietrich Bonhoeffer und Erika Pluhar zu einem dichten Porträt zusammengestellt. Im Mittelpunkt steht dabei das Ringen von Spee mit Gott, dem Glauben, dem Unglauben, der Kirche. Was dabei gelingt, ist kein Lorbeerkranz für den heldischen Kämpfer wider die Hexenverfolgung, sondern ein faszinierendes Denkmal für einen Zweifler. Die Spannung steigert sich dabei kontinuierlich bis zum Schluss-Credo, das in dem Satz "Ich glaube an die Veränderung" gipfelt. Ein tief bewegtes Publikum, spontaner, rauschender Beifall in der St.-Josefs-Kirche. dMehr zum Katholikentag in Saarbrücken aufSEITE 28

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