Fladen statt Brot

Erst allmählich zeichnet sich ab, wie sich der Klimawandel in unseren Breiten auswirkt. Neben Gesundheitsgefahren für die Menschen gelten massive Veränderungen in der Natur als sicher. Vor allem die Landwirtschaft steht vor großen Herausforderungen.

 Sorge um die Ernte: Der Klimawandel wird sich auch auf dem Getreidefeld auswirken. TV-Foto: Archiv/Klaus Kimmling

Sorge um die Ernte: Der Klimawandel wird sich auch auf dem Getreidefeld auswirken. TV-Foto: Archiv/Klaus Kimmling

Trier. "Mehr Regen im Winter, weniger im Sommer - dem sind viele unserer Pflanzen nicht gewachsen." Nicht nur für Herbert Netter, Sprecher des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Nassau, ist klar: Der Klimawandel stellt gerade die Landwirtschaft vor große Probleme. Experten der Universität Genf prophezeien, dass bis zum Ende des Jahrhunderts jeder zweite Sommer mindestens so heiß wird wie der im Jahr 2003. Das bedeute für Europa Ernteausfälle in Höhe von zwölf Milliarden Euro. "Bis zu einem gewissen Grad kann man Probleme durch die Züchtung von Trockenresistenzen auffangen", sagt Netter. "Es gibt eine intensive Forschung in diesem Bereich." Neben Ertragseinbußen infolge von Trockenheit schadet der Klimawandel den Pflanzen auch indirekt. Mit den Bedingungen ändert sich auch das Vorkommen von Pflanzenschädlingen. Manche Insekten werden sich Prognosen zufolge um mehr als 1000 Kilometer nach Norden ausbreiten. Auch vom Osten her wandern neue Arten ein. Bereits bekannte Schädlinge überleben die milderen Winter in deutlich höherer Anzahl als bisher. Zudem reift durch das mildere Klima oft eine zusätzliche Generation pro Jahr heran. So meldeten niedersächsische Landwirte Ende März stark geschädigte Gerstenfelder. Grund: Der bisher kaum bekannte "Gerstengelbverzwerungvirus" hatte sich ausgebreitet, weil die Zahl der Blattläuse, seiner Wirtstiere, durch den warmen Winter explodiert war. Auch viele andere Krankheiten, beispielsweise Pilzinfektionen, profitieren vom Klimawandel - ebenso wie einige Unkräuter. Neue Baumpilzarten und Rindenkrebs

Neben den Feldern droht auch dem Wald Ungemach. Borkenkäfer vermehren sich bei den höheren Temperaturen stärker als bisher. Und neben häufigeren Waldbränden und Stürmen gefährden auch neue Krankheiten die Bäume. Einige neue Baumpilzarten sind auf dem besten Weg, in Deutschland heimisch zu werden. Und der aus Italien bekannte Rindenkrebs bei Kastanien hat Süddeutschland erreicht. Während viele dieser Probleme durch den Anbau anderer Pflanzenarten gelöst werden dürften, könnte ein anderes für die Verbraucher deutlich spürbar werden: Durch den Anstieg von Treibhausgasen verändern manche Pflanzen ihre Inhaltsstoffe. Weizen beispielsweise produziert bei einem höheren Kohlendioxid-Gehalt der Luft weniger Eiweiß und Klebstoffe. Damit könnten Bäcker künftig vor Problemen stehen. "Es gäbe dann kein Brot mehr, sondern nur noch Fladen", beschreibt Bauernverbandssprecher Herbert Netter den schlimmsten Fall. Er ist allerdings überzeugt, dass auch hier durch Züchtung gegengesteuert werden kann. Eine Portion Veränderungsbereitschaft und Pragmatismus dürfte bei der Bewältigung des Klimawandels dennoch hilfreich sein. In der Landwirtschaft hat man das offenbar bereits verinnerlicht: Experten-Prognosen, wonach die Inhaltsstoffe der Gerste sich so verändern könnten, dass Bier nicht mehr schäumt, kommentiert Herbert Netter so: "Wenn sich der Geschmack nicht verändert, werden wir das überleben."

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