Flucht vor den Teufels-Winden

Der Süden Kaliforniens brennt lichterloh. Allein zwischen Los Angeles und San Diego wüten mehr als ein Dutzend unkontrollierte Lauffeuer. Mehr als eine halbe Million Menschen mussten schon vor den Flammen fliehen. Präsident George W. Bush verhängte in sieben Bezirken den nationalen Notstand. Trotz der Katastrophe reagieren die Kalifornier mit ihrer sprichwörtlichen Gelassenheit.

Malibu/San Diego. Die Organisatoren der 11. Hollywood-Awards sahen keinen Grund, ihre Party im Hilton von Beverly Hills abzusagen. Während ein paar Meilen südlich in der Künstlerkolonie von Malibu Feuer die Häuser Sean Penns, Tom Hanks oder Jennifer Anistons bedrohten, nahmen John Travolta, Richard Gere und die Affleck-Brüder die ersten Preise der neuen "Award"-Saison entgegen. Willkommen in Kalifornien, wo sich keineswegs nur die Reichen und Schönen die Laune so schnell nicht verderben lassen. Auch die Stimmung im "Qaulcomm Stadium", der Heimat der San Diego Chargers, erinnert mehr an ein Volksfest denn an ein Evakuierungs-Zentrum. Kein Vergleich mit den Horrorbildern aus dem Superdome von New Orleans. Gut organisierte Freiwillige verteilen Pizzaboxen, Wasser und Decken an die Flüchtlinge, die in dem Football-Tempel Zuflucht gesucht haben. Clowns belustigen die Kinder, Musiker zupfen ihre E-Gitarren - und sogar für kostenlose Massage ist gesorgt. Ein groteske Situation, wie der erst vor sechs Monaten aus Indien zugezogene Software-Entwickler Raj Panandian (26) einem Reporter ungläubig erzählt. "Ich habe live im Fernsehen gesehen, wie meine Wohnung in Flammen aufging." Natürlich geht es auch den meisten anderen der rund 500 000 von der Evakuierung Betroffenen nahe, ihre Häuser dem Ungewissen zu überlassen. Doch wer hier im Süden Kaliforniens lebt, weiß, worauf er sich einlässt. Feuer gehören zur Realität - wie Schnee zum Winter. Was diesmal anders ist, sind die Umstände. "Wir erleben einen perfekten Sturm", erklärt Zev Yaroslavsky, der im Bezirk Los Angeles die Brandbekämpfung koordiniert. "Die Winde sind launisch. Sie lassen sich nicht vorhersagen. Wir wissen nicht, wann und wohin sich die Flammen fortbewegen." Die Rede ist von den "Santa Ana"-Winden, die Einheimische auch die "Teufels-Winde" nennen. Heiß und heftig ziehen sie zwischen Oktober und Mai aus der kalifornischen Wüste durch die Canyons in die Küstenregion. Normalerweise ist der Spuk nach 24 Stunden vorüber. Nicht so diesmal. Mit Geschwindigkeiten von bis zu mehr als 130 Kilometern in der Stunde jagen die Feuer seit Tagen, wie durch einen gigantischen Flammenwerfer beschleunigt, durch die ausgetrockneten Schluchten. Die 18 Monate lange Trockenperiode liefert mit den ausgedörrten Büschen und Bäumen den idealen Brennstoff.Die Feuerwehr wird einfach vom Ausmaß der Ereignisse überwältigt. Nachdem bereits mehr als 800 Häuser den Flammen zum Opfer gefallen sind, will niemand ausschließen, dass das Feuer durch San Diego zieht und erst am Pazifik zum Stoppen kommt. "Das ist eine tragische Zeit für Kalifornien", betont auch Gouverneur Arnold Schwarzenegger die Ausnahme-Situation, nachdem er sich nördlich von Los Angeles über das Ausmaß der Zerstörungen vor Ort informierte. Schwarzenegger kommandierte mehr als 1500 Angehörige der Nationalgarde in die betroffenen Regionen und appellierte an Präsident Bush, den nationalen Notstand auszurufen. Der folgte seiner Bitte gestern. Waldbrände Massenflucht unter gelbem Himmel: In den USA sind Hunderttausende Menschen auf der Flucht vor Waldbränden. Sie packen das Nötigste zusammen und müssen in Turnhallen und anderen Gebäuden schlafen. In Kalifornien im Südwesten des Landes breiten sich Feuer weiter aus. Starker Wind facht sie ständig an. In der Gegend ist der Himmel gelb-orange gefärbt. "Es riecht hier überall wie an einem riesigen Lagerfeuer", sagte ein Augenzeuge im Fernsehen. Die Brände bedrohten 15 000 Häuser. Es gab viele Verletzte, mindestens ein Mensch ist bereits gestorben. Gegen die Flammen kämpfen Tausende Feuerwehrleute. Sie sollen beim Löschen jetzt auch von sechs großen Flugzeugen unterstützt werden. Das versprach die amerikanische Regierung. Außerdem kommen 1200 Soldaten zu Hilfe. Die Feuer waren schon am Sonntag bei Malibu an der Küste Südkaliforniens ausgebrochen. Vermutlich hatte ein kaputtes Stromkabel die Flammen entzündet. Auch in den nächsten Tagen soll die Lage nicht besser werden. Vorhergesagt sind nämlich hohe Temperaturen und starker Wind.

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