Flüchtlinge: Die Länder fordern Geld aus Berlin

Brüssel · Angesichts zahlreicher internationaler Krisen stellen sich die Bundesländer auf weiter steigende Flüchtlingszahlen ein. Der Bund soll zahlen, wenn Asylverfahren länger als drei Monate dauern.

 Minderjährige Flüchtlinge in einem Asylbewerberheim. Foto: Peter Kneffel/Archiv

Minderjährige Flüchtlinge in einem Asylbewerberheim. Foto: Peter Kneffel/Archiv

Brüssel. "Wir gehen davon aus, dass die Zahl von 350 000 Flüchtlingen deutlich überschritten wird", sagte der Rheinland-Pfälzer Roger Lewentz (SPD) als Vorsitzender der Innenministerkonferenz, die sich am Montag zur Abstimmung mit der europäischen Ebene in Brüssel traf. Damit stellen sich die Bundesländer, von denen einige gar mit einem Anstieg auf 550 000 rechnen, gegen die Schätzung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf), die nach 200 000 Asylanträgen im vergangenen Jahr und weiteren knapp 80 000 freiwilligen Aufnahmen von eben jenen 350 000 Menschen ausgeht.
"Manchmal kann man sich nur wundern", sagte Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) mit Blick auf die Nürnberger Behörde: "Wenn wir uns im vergangenen Jahr auf deren Zahlen verlassen hätten, wären wir mit einem riesigen Problem konfrontiert worden. Wir stellen uns jedenfalls auf deutlich höhere Zahlen ein." Allein für den Südwesten rechnet er mit "deutlich über 30 000 Flüchtlingen".
Viele von ihnen seien zwar schon in Deutschland, aber vom Bundesamt offiziell noch nicht erfasst, erklärte sein nordrhein-westfälischer Kollege Ralf Jäger. Die Länder fordern nun eine stärkere finanzielle Beteiligung der Bundesregierung, weil für die bisherigen Abmachungen "die Geschäftsgrundlage entfallen" sei, wie der Sozialdemokrat Jäger weiter sagte. Auch der Bund müsse "den Druck spüren, wenn mittags drei Reisebusse ankommen, die abends untergebracht sein wollen". Die Innenminister bereiteten dafür in Brüssel einen Antrag vor, den die am Donnerstag tagende Ministerpräsidentenkonferenz offiziell unterbreiten will: Der Bund soll die Unterbringung eines Flüchtlings bezahlen, wenn die Bearbeitung seines Asylantrags länger als drei Monate dauert. Das ist der im Koalitionsvertrag vereinbarte Zeitraum, nicht nur, um Geld zu sparen, sondern den Asylbewerbern auch möglichst früh signalisieren zu können, ob sie in Deutschland eine Chance bekommen oder nicht. Den jüngsten Zahlen zufolge beträgt die durchschnittliche Bearbeitungsdauer aber sechseinhalb Monate.
Wachsender Antragsstau


"Wir haben uns den drei Monaten nicht einmal angenähert", kritisierte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in Brüssel, "sondern sogar noch entfernt. Der Antragsstau wächst." Weil derzeit noch 140 000 Ersuchen unbearbeitet seien, müsse das Bundesamt dringend weiteres Personal erhalten. Und Berlin sei nun eben auch hinsichtlich der Unterbringung über die zugesicherten drei Monate hinaus, so Hermann weiter, "bei den Kosten gefragt". Die 16 Innenminister und -senatoren dringen zudem auf eine gesamteuropäische Entlastung durch einen Verteilungsschlüssel. Bisher nehmen nur sechs von 28 EU-Staaten eine größere Anzahl der 670 000 Flüchtlinge auf, die im vergangenen Jahr nach Europa gelangten.

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