Fort Knox im Alpenland

Garmisch-Partenkirchen · Die Polizei ist immer in Bewegung. Ständig sieht man neue Fahrzeuge ankommen, andere fahren kreuz und quer durch die Stadt, hin und her, mal in Kolonne, mal einzeln. Man fragt sich, welchen Sinn das macht. Es ist Taktik.

Garmisch-Partenkirchen. Die Polizei will überall sein, Präsenz und Stärke zeigen. Sie will abschrecken. Garmisch-Partenkirchen ist an diesem Wochenende das Zentrum der G7-Proteste. 18 Kilometer von Schloss Elmau entfernt, auf dem die Kanzlerin ab Sonntag die Mächtigen der Welt empfängt. Die Stadt ist zur Festung geworden, Elmau und Garmisch sind Angela Merkels Fort Knox.
Kilometerlange Karawane


Die Karawane ist kilometerlang, die sich in brütender Hitze von München aus ins Alpenvorland schlängelt. Auf nur einen Streifen ist die Autobahn 95 bei Sindelsdorf verengt worden, in jedes Fahrzeug werfen Beamte einen Blick. Viele, vor allem junge Fahrer werden herausgewinkt, sie müssen Kofferraum und Taschen öffnen.
Passiert man den ersten Checkpoint, folgen noch drei weitere, bis man nach quälenden Stunden endlich das Herz des Protestes erreicht hat. Gestern demonstrierten bereits rund 500, heute werden 10 000 G7-Gegner in Garmisch erwartet. Sie wollen mit Autos, Bussen und mit der Bahn anreisen. Eine ganze Menge von ihnen wird es aber vermutlich gar nicht bis an den Fuß der Zugspitze schaffen, so engmaschig und akribisch sind die Kontrollen.
Auch das ist Taktik. Bis Elmau kommen sie sowieso nicht, die Sicherheitsmaßnahmen rund um die Nobelherberge sind noch extremer. Insgesamt sorgen an die 20 000 Polizisten offen und verdeckt für die Sicherheit von Merkel, Barack Obama und Co.
Schotterweg zum Camp


Wer pfiffig war, der ist bereits Mitte der Woche angereist. Nach langem politischen Gezerre durfte doch noch auf einer grünen Wiese inmitten des Bergpanoramas ein Protestcamp aufgebaut werden. Ausgelegt ist es für - wenn überhaupt - 1000 Camper. Bis Freitagmittag sind bereits 600 Gipfelgegner da. Fünf Euro "Soli-Beitrag" muss derjenige zahlen, der sein Zelt aufschlagen will. Fragt man Polizisten in der Stadt, wo das Camp zu finden ist, weiß das keiner. Wer\'s glaubt. Also muss man sich auf die Suche machen, über Twitter und Facebook informieren sich die gut vernetzten Protestler.
Ein Schotterweg entlang des Flusses Loisach führt zum Camp. Man begegnet Einheimischen, die sich die kleine Zeltstadt anschauen wollen - manche haben Kuchen dabei oder geben kleine Geldspenden ab. In nur eineinhalb Tagen haben die ersten Bewohner eine Infrastruktur aufgebaut, mit Toiletten und Waschgelegenheiten.
Furcht vor schwarzem Block


Rot-weißes Trassierband markiert die Wege im Lager. Rote Antifa-Fahnen wehen, "Krieg dem Krieg" ist auf einem Plakat vor einem Papppanzer zu lesen.
Am Eingang hängen die Regeln, die man im Camp einhalten muss. "Das klappt gut", berichtet ein junger Mann mit Rastazöpfen. Schwarze Kappe, schwarze Sonnenbrille, schwarze Hose, auch diese G7-Gegner sieht man. Es hat den Anschein, als ob einige aus dem gefürchteten schwarzen Block den Weg nach Garmisch bereits gefunden haben.
Vor ihnen fürchten sich die Bewohner der Stadt am meisten. Garmisch will nicht Frankfurt werden, wo vor ein paar Wochen die Proteste gegen die Europäische Zentralbank eskalierten.
Das Wirtshaus gegenüber der alten Pfarrkirche macht für mehrere Tage dicht, "wir tun uns das nicht an", sagt eine Bedienung. In der Einkaufszone sind Fensterfronten verbarrikadiert worden, an manchen Ecken erwartet man wie im Western Gestrüpp, das vom Wüstenwind vorangetrieben wird.
Froh, wenn\'s vorbei ist


Angefangen hat das Schuhgeschäft gleich am Anfang der Innenstadt, erzählt ein Einheimischer. Der Trachtenladen, die Konditorei, viele haben nachgezogen. "Wir renovieren" heißt es auf einem Schild, das ein Händler an die mit Planen abgehängte Fassade geheftet hat. In der Hoffnung, dass dieser Trick mögliche Gewalttäter abhält. "Liebe Kunden, uns ist es hier zu heiß geworden. Wir machen hitzefrei", liest man an einem anderen Laden. Galgenhumor. "Ich bin froh, wenn\'s vorbei ist", sagt eine ältere Dame frustriert. So sieht das wohl ganz Garmisch.
Extra

In Bayern sind nach Angaben der Behörden vom Freitag 22 300 Polizeibeamte im Einsatz: 10 000 Landespolizisten aus Bayern, 7000 Landespolizisten aus anderen Bundesländern, 2500 Bundespolizisten, die in Südbayern eingesetzt werden, 1000 Bundespolizisten am Flughafen München, wo die Staats- und Regierungschefs der sieben wichtigen Industrienationen landen, sowie 1800 Beamte des Bundeskriminalamts. Außerhalb Bayerns verstärken bis zu 6500 Bundespolizisten die Kontrollen an den Binnengrenzen sowie die Überwachung von Flughäfen und Bahnhöfen. dpaExtra

Folgender Ablauf ist nach Regierungsangaben für den G7-Gipfel derzeit geplant: Am Sonntag, 7. Juni, landet US-Präsident Barack Obama als erster der ausländischen Staatsgäste um 6.55 Uhr auf dem Münchner Flughafen. Noch vor dem Gipfelauftakt treffen Obama und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am späten Vormittag mit Bürgern in Krün nahe Schloss Elmau zusammen. Auch ein direktes Gespräch der Politiker ist geplant. Anschließend empfängt Merkel ihre Gäste auf Schloss Elmau. Am Nachmittag kommen die sieben Staats- und Regierungschefs sowie die Präsidenten der EU-Kommission und des Europäischen Rats zu zwei Arbeitssitzungen zusammen. Am Abend gibt es ein Arbeitsessen. G7-Kritiker wollen ihre Proteste im benachbarten Garmisch-Partenkirchen fortsetzen. Am Montag, 8. Juni, tagen die Teilnehmer zunächst weiter unter sich, bevor die Staats- und Regierungschefs mehrerer afrikanischer Staaten sowie die Chefs internationaler Organisationen hinzustoßen. Zum Abschluss des Gipfels will Angela Merkel am Nachmittag eine Pressekonferenz geben. Insgesamt dauert der G7-Gipfel nur wenig mehr als 24 Stunden. dpa

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