Nach heftigen Protesten wird die umstrittene Reform des Rederechts - in der Öffentlichkeit als Maulkorb kritisiert - nun doch verschoben. Die bisherigen Pläne hätten Partei-Abweichler benachteiligt. Die parlamentarischen Geschäftsführer von CDU und SPD bezeichneten das Papier ihrer Kollegen aus dem Geschäftsordnungsausschuss als "beratungsbedürftig" und "nicht ausgereift". FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte, das Ziel müsse die "Klärung und Sicherung" der Rechte von Abgeordneten mit abweichender Meinung sein.

Im Entwurf des Ausschusses hatte das noch ganz anders ausgesehen: Dort war nur den von der Fraktionsspitze abgesegneten Rednern das freie Wort zugesichert worden - Abweichler sollten, wenn überhaupt, nur noch kurz und als Ausnahmeregelung zu Wort kommen. Eine für den 26. April vorgesehene entsprechende Abstimmung im Parlament wurde aber nun abgesetzt.

Dennoch sehen Experten wie der Trierer Soziologe Helmut Willems in der Öffentlichkeit einen Schaden für die beteiligten Fraktionen. Die geplante Reform, sagt Professor Willems, der Sozialwissenschaften an der Uni Luxemburg lehrt, werde in der Öffentlichkeit "weniger als Schritt wahrgenommen, die Arbeit effektiver zu machen, sondern als Versuch der Unterdrückung abweichender Meinungen". Das komme gerade bei Jüngeren oder politikskeptischen Bürgern "überhaupt nicht gut an". Für diese Gruppen sei Politik ohnehin "das Geschäft der Eingeweihten". Das Misstrauen werde noch wachsen, womöglich zugunsten von Parteien wie den Piraten, die derzeit noch nicht unter den "parteitypischen Verkrustungstendenzen" litten.

Die Abgeordneten der Region bekunden überwiegend, mit ihnen sei ein "Maulkorb für Abweichler" nicht zu machen.