Frank-Walter Steinmeier - Von Brakelsiek ins Schloss Bellevue

Berlin · Frank-Walter Steinmeier (Foto: dpa) ist schon seit längerem der beliebteste deutsche Politiker. Wer nach den Gründen sucht, kommt zu Qualitäten, die sich vielfach mit den Anforderungen an das Amt des Bundespräsidenten decken.

Berlin. Große Erfahrung, Seriosität, abwägende Worte - jeder würde Frank-Walter Steinmeier als Richter oder Schlichter akzeptieren. Man wüsste: Er macht es nach bestem Wissen und Gewissen. Hält seine Emotionen im Zaum. Und arbeitet rastlos.
Als Außenminister hat er dieses Image bis zur Perfektion getrieben. Ein Sisyphos der Friedenssicherung. Wo immer ein Hoffnungsschimmer ist, ein Gesprächsfaden, Steinmeier sieht ihn. Dass ihm ein sprachliches Malheur passiert, ist selten, aber es passiert. Zuletzt, als er Donald Trump als Hassprediger bezeichnete. Nun muss er ihm womöglich demnächst von Präsident zu Präsident die Hand geben.
Steinmeier wirkt auch wegen seiner silbernen Haare wie ein neuer Weizsäcker, aber bodenständiger als der frühere Präsident, der durch seinen Adelstitel etwas stigmatisiert war. Steinmeier ist ostwestfälischer Dorf adel. Tischlersohn aus Brakelsiek, plattes Land, Langeweile, Bolzplatz. Einer von denen, die genau wie sein Förderer und Mentor Gerhard Schröder so bald wie möglich mit ziemlich langen Haaren zum Studieren in eine WG in die Stadt zogen und dort die Politik entdeckten.
In Gießen lernte er seine Frau Elke Büdenbender kennen, der er vor sechs Jahren eine Niere spendete. Eine Juristenehe im sozialdemokratischen Milieu. Sie haben eine erwachsene Tochter, Haus mit Garten in Berlins Süden. Vor einigen Jahren, als er "nur" Kanzleramtschef und noch nicht so bekannt war, zockelte er mit der Kleinen gern mal auf Fahrrädern durch die Gegend. Steinmeier ist bodenständig geblieben. Das Bierchen, früher auch mal eine Zigarette, der Plausch über die Bundesliga, samstags Rasen mähen, falls er mal da ist. Selbst gegenüber Außenministern ist er nicht anders. Weil er nahbar ist, hat er über die Jahre einen riesigen, weltweiten Kreis an Kontakten aufgebaut. Außenminister, Künstler, Wirtschaftsleute, Betriebsräte, Kommunalpolitiker.
Es gibt auch Nachteile. Der 60-Jährige ist einer, der besser zuhören kann als selbst mit eigenen Gedanken vorzupreschen. Dieses Abwägende ist seine große Stärke, die aber jetzt zur Schwäche werden kann. Denn ein Bundespräsident, der nicht an entscheidenden Punkten selbst Akzente setzt, wird wenig bewegen. Richard von Weizsäckers "Tag der Befreiung"-Rede bleibt hier ein Maßstab, ebenso Christian Wulffs "Der Islam gehört zu Deutschland". Zudem ist Steinmeier Pragmatiker, ein Problemlöser und kein theoretischer Vordenker. Er braucht Krisen und Konflikte, um auf Touren zu kommen. Als Präsident soll er jedoch nicht handeln, nur reden.
Worin liegt sein Antrieb, was könnte seine Mission sein? Bei Gauck, dem einstigen DDR-Bürgerrechtler, war es aus der Biografie heraus der Kampf um Demokratie. Was kann Steinmeier den Deutschen sagen? Vielleicht, dass sie mit ihrer Demokratie nicht so leichtsinnig umgehen sollen.

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