Frankreich steuert auf eine Zukunft ohne Urgesteine hin

Paris · Der Rückzug von Präsident François Hollande verändert die politische Szene in Frankreich beträchtlich. Für die Sozialisten bereitet nun Manuel Valls seine Kandidatur vor.

Paris. "Die Schlacht nach Hollande" titelt die Zeitung Le Monde in ihrer Samstagsausgabe. Wenige Stunden nach der Entscheidung des französischen Präsidenten François Hollande, nicht mehr für eine zweite Amtszeit zu kandidieren, richtet sich der Blick in die Zukunft. Eine Zukunft, in der weder der Staatschef noch sein Vorgänger Nicolas Sarkozy oder der frühere Regierungschef Alain Juppé ihren Platz haben. Nun muss sich zeigen, was nach dem Abgang der politischen Urgesteine kommt.
Für die Konservativen ist die Antwort klar: François Fillon wird sie in den Wahlkampf führen. Der frühere Regierungschef gewann die Vorwahlen der Konservativen am Wochenende überraschend gegen Juppé, nachdem er zuvor bereits Sarkozy aus dem Rennen geworfen hatte. Auf der Seite der Sozialisten könnte mit Manuel Valls ebenfalls ein Premierminister antreten, dessen Rücktritt in den nächsten Tagen erwartet wird.
Marine Le Pen vom rechtspopulistischen Front National sprach bereits von der Kandidatur der "Doppelgänger": Fillon für Sarkozy, unter dem er fünf Jahre lang Premier war, und Valls für Hollande. Fillons Regierungszeit endete bereits vor fast fünf Jahren. Valls ist dagegen eng mit dem Präsidenten verbunden, der ihn 2014 zum Regierungschef berief. "Wir werden die Bilanz von François Hollande verteidigen müssen. Ich werde das tun", sagte der ehrgeizige 54-Jährige bei seinem ersten Auftritt nach Hollandes Verzicht am Freitag.
Die Bilanz des Präsidenten ist allerdings mager. Vor allem bei seiner Hauptaufgabe, dem Kampf gegen die Rekordarbeitslosigkeit, versagte der Sozialist, der jahrelang eine Trendumkehr auf dem Arbeitsmarkt ankündigte. Tatsächlich sind aber heute gut eine halbe Million Menschen mehr arbeitslos als zu Beginn seiner Amtszeit. "Manuel Valls ist der Ersatzmann von François Hollande. Er ist noch sein Premierminister und deshalb für seine Bilanz verantwortlich", kritisierte der Wahlkampfleiter des früheren Wirtschaftsministers Arnaud Montebourg im Fernsehen. Montebourg, der zum linken Flügel der Sozialisten gehört, hat bereits seine Kandidatur für die Vorwahlen im Januar erklärt. Im direkten Vergleich schneidet er allerdings schlecht ab gegen Valls: nur 15 Prozent der Wähler der Sozialisten sind laut einer am Freitag veröffentlichten Umfrage für ihn, 57 Prozent für den Regierungschef. Der dürfte es aber 2017 ebensowenig in die Stichwahl schaffen wie sein Rivale Emmanuel Macron, der unabhängig von den Vorwahlen der Sozialisten antritt.
Valls muss im Falle seiner Kandidatur gleich an zwei Fronten kämpfen: gegen Macron, der ihm das Image des Reformers streitig macht, und gegen den linken Parteiflügel. Für den ist er zur Hassfigur geworden, seit er ein ausgerechnet aus Macrons Feder stammendes Gesetz zur Ankurbelung der Wirtschaft am Parlament vorbei verabschieden ließ. Die Vertreter der beiden Flügel dürften sich bis zu den Vorwahlen im Januar gegenseitig zerfleischen. Die konservative Opposition, die seit der Entscheidung für Fillon ein Bild der Geschlossenheit abgibt, wird sich das Spektakel genüsslich anschauen. Auch Marine Le Pen wird versuchen, von den Streitigkeiten der Regierungspartei zu profitieren. Ihr Wahlkampflogo hat sie sich ohnehin schon bei den Sozialisten abgeschaut: eine Rose.

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