Franzose für den Brexit

Paris · Der ehemalige EU-Kommissar Michel Barnier tritt am Samstag sein Amt als Verhandlungsführer für den Brexit an. Der Franzose ist vor allem am Finanzplatz London verschrien.

Paris. "Das Schreckgespenst der City", titelte die Londoner Times Ende Juli, als Michel Barnier (Foto: dpa) zum "Monsieur Brexit" ernannt wurde. Am Samstag tritt der hochgewachsene Franzose sein Amt als Verhandlungsführer der Kommission für den Austritt Großbritanniens aus der EU an. Der 65-Jährige will zunächst die EU-Hauptstädte besuchen, um dort Einigkeit herzustellen, bevor dann die Gespräche beginnen.
Der konservative Spitzenpolitiker gilt seit seiner Zeit als EU-Binnenmarktkommissar als Feind der Briten und des Finanzplatzes London. Seine Ernennung durch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ist deshalb durchaus als Zeichen der Entschlossenheit gegenüber Großbritannien zu verstehen.
"Ein überzeugter Europäer, der gezeigt hat, dass er hartnäckig sein kann, auch wenn er für Kompromisse offen ist", schreibt die Zeitung Libération zu der Personalie. Dass die Einschätzung stimmt, zeigt die Regulierung der Finanzmärkte und die Geburt der Bankenunion, die der Kommissar zwischen 2010 und 2014 durchsetzte. Von den 42 Texten, die der weißhaarige Franzose dabei mit London verhandelte, lehnten die Briten nur zwei ab.
Erfahrung bringt der Vater dreier Kinder, der Kritik an seinen Englischkenntnissen gelassen sieht, genug mit: Nach seiner Wahl mit nur 27 Jahren in die Nationalversammlung war er viermal Minister, darunter von 2004 bis 2005 Außenminister. Nach dem Referendum über die EU-Verfassung, die die Franzosen ablehnten, musste er den Posten abgeben.
Doch Barnier machte in Brüssel Karriere: Er war zweimal EU-Kommissar und wäre 2014 auch gerne Kommissionspräsident geworden. Doch den europäischen Spitzenjob bekam statt dessen sein Freund Jean-Claude Juncker, dessen Berater für Verteidigung und Sicherheit er zuletzt war.
"In Brüssel hat er einen guten Ruf. Er ist wohlbekannt und verfügt über ein dichtes Netzwerk, das weit über die Konservativen hinausgeht", lobt der französische Präsidentenberater Philippe Léglise-Costa in der Zeitung Le Monde den begeisterten Skifahrer und Bergsteiger, der 1998 die Olympischen Winterspiele in seiner Heimat Albertville organisierte. Im eigenen Land gilt Barnier, der für den Brexit mit Sabine Weyand eine deutsche Stellvertreterin hat (siehe zur Person), als streng und humorlos. "Mit dem Humor habe ich Fortschritte gemacht", sagt er. "Aber die Politiker sind nicht dazu da zu unterhalten."
Ernst wird es für den Franzosen, wenn Großbritannien tatsächlich Artikel 50 der EU-Verträge anwendet und damit die Trennung von der EU offiziell in Gang setzt. Ein Schritt, den die Regierung zum Jahresende angekündigt hat. Danach sollen die Verhandlungen über die Bedingungen des Brexit zwei Jahre dauern. "Fragen Sie mich nicht, was am Ende der Strecke kommt. Wir sind noch nicht einmal losgegangen", sagte Barnier im September vor dem Bruegel-Thinktank in Brüssel.

Extra

Die Deutsche Sabine Weyand (Foto: dpa) wird Michel Barnier unterstützen - die Handelsexpertin ist die offizielle Nummer zwei der Task Force, die die Bedingungen des Austritts Großbritanniens aus der EU klären soll. Ihre offizielle Vita weist die an der Uni Tübingen promovierte Politologin als Karrierebeamtin der EU aus. 1994 begann sie in der Generaldirektion für Industrie und Automobilwirtschaft und arbeitete sich hoch bis zur stellvertretenden Generaldirektorin für Handelsfragen. dpa

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