Frauen in Chefetagen: Schwarz-Rot will die Quote

Berlin · Bei den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD ist noch viel Sand im Getriebe. Doch einen brisanten Streitpunkt konnte die Arbeitsgruppe Familie und Frauen in der Nacht zum Montag abräumen: Ab 2016 soll es eine verbindliche Frauenquote von 30 Prozent in den Aufsichtsräten großer Unternehmen geben.

Berlin. Rund zwölf Jahre ist es jetzt her, dass die großen deutschen Unternehmen feierlich gelobten, den geringen Anteil von Frauen in ihren Führungsetagen deutlich zu erhöhen. Doch das ist eher ein frommer Wunsch geblieben.Mäßige Ergebnisse


Zuletzt hatte die schwarz-gelbe Koalition mit ihrer so genannten Flexi-Quote, eine Art freiwillige Selbstverspflichtung, den Druck sanft erhöht, was aber ebenfalls nur mäßige Ergebnisse zeitigte. Nach Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) waren 2012 in den 200 größten Unternehmen Deutschlands nur vier Prozent aller Vorstands- und knapp 13 Prozent aller Aufsichtsratssitze mit Frauen besetzt. Das entsprach einem leichten Anstieg von einem Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Bei den 30 Dax-Unternehmen lag der Frauenanteil 2012 immerhin bei 7,8 Prozent in den Vorständen und bei gut 19 Prozent in den Aufsichtsräten.
Nach den aktuellen DIW-Daten für das laufende Jahr ist der Frauenanteil in den 30 Dax-Vorständen allerdings wieder rückläufig. Er sank von 7,8 auf 6,8 Prozent. "Das ist also noch lange kein Selbstläufer", erklärte DIW-Forschungsdirektorin Elke Holst gegenüber unserer Zeitung.
Die SPD hat sich deshalb für eine feste Quote stark gemacht. Aus Sicht der Unionsführung sollten die Unternehmen dagegen weiter selbst festlegen können, wie viel weibliches Führungspersonal sie für geboten halten. Die jüngste Vereinbarung zwischen beiden Seiten ist nun eine Mischung aus beiden Positionen. Demnach sollen Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen, die ab 2016 neu besetzt werden, eine Frauenquote von "mindestens" 30 Prozent aufweisen.
Verbindliche Zielgrößen


Gemeint sind hier etwa 500 Firmen mit jeweils mindestens 2000 Mitarbeitern. Bei Verstößen sollen die Plätze in dem Kontrollgremium unbesetzt bleiben. Daran kann niemand ein Interesse haben, denn die Folge wäre eine Verschiebung des Kräfteverhältnisses zwischen den dort repräsentierten Anteilseignern und den Arbeitnehmervertretern.
Darüber hinaus sollen schon ab 2015 alle börsennotierten Unternehmen oder Betriebe mit Betriebsräten gesetzlich zu verbindlichen Zielgrößen für die Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsräten und Vorständen sowie der obersten Management-Ebene verpflichtet werden. Die entsprechenden Selbstverpflichtungen sind zu veröffentlichen. Von dieser Maßnahme wären nach Schätzung der SPD bis zu 3300 Unternehmen betroffen.
Auf dem jüngsten SPD-Parteitag hatte der Vorsitzende Sigmar Gabriel eine Frauenquote in Dax-Unternehmen noch als Luxusproblem abgetan, was bei seinen Genossinnen allerdings schlecht ankam. Die jetzige Vereinbarung sei "ein wichtiges Signal, um die Aufstiegschancen von Frauen zu verbessern", meinte gestern Gabriels Stellvertreterin Manuela Schwesig, die das Thema auch in der zuständigen Arbeitsgruppe mitverhandelt hat. Ähnlich äußerte sich die CDU-Unterhändlerin Anette Widmann-Mauz.
Schon seit längerem haben einflussreiche Frauen beider Lager bei der Gleichstellung in Führungsetagen an einem Strang gezogen. Davon zeugt auch die vor zwei Jahren entstandene "Berliner Erklärung", in der sich Vertreterinnen aller Bundestagsparteien bereits für eine 30-Prozent-Quote ausgesprochen hatten.
Beim Wirtschaftsflügel der Union stieß die Vereinbarung dagegen auf Kritik. Der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand der Unionsfraktion, Michael Fuchs (CDU), sprach von einer "Kröte", die einigen Firmen noch Schwierigkeiten bereiten werde. Der Mittelstandspolitiker Hans Michelbach (CSU) rügte gegenüber unserer Zeitung, dass die künftige Koalition "ordnungspolitische Sündenfälle" zum Nachteil der Wirtschaft produziere.Extra

Neben der Einigung auf eine Frauenquote zeichnete sich am Montag in der Koalitionsrunde folgender Stand ab: Mindestlohn: Die von der SPD geforderte gesetzliche Lohnuntergrenze von 8,50 Euro soll nach dem Willen der Union frühestens 2016 in Kraft treten. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles wies dies zurück. PKW-Maut: Die CDU nannte Bedingungen für eine Einigung bei der CSU-Forderung nach einer PKW-Maut. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte, die CDU könne dem Anliegen der CSU entgegenkommen, wenn sichergestellt werde, dass dies zu "keinerlei Mehrbelastung" für inländische Autos führe, europarechtskonform gestaltet werde und Mehreinnahmen für Investitionen erbringe. Familie: Die AG hat sich auf einen Rechtsanspruch für eine zehntägige Familienpflegezeit verständigt. Arbeitnehmern, die Angehörige pflegen, wird künftig eine zehntägige Auszeit zugestanden, in der sie weiter bezahlt werden. Gesundheit: Der Streit um die Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen bleibt strittig. Angesichts erwarteter Zusatzbeiträge für Millionen Versicherte dringt die SPD auf Abschaffung der Aufschläge - die Union ist dagegen. dpaExtra

Über Gleichberechtigung wird an diesem Dienstag auch im Europäischen Parlament beraten. Für die Geschlechterproportionen in Unternehmen soll es erstmals EU-weite Vorgaben geben. Laut der Europaabgeordneten Christa Klaß sieht eine Richtlinie, welche die Aufsichtsräte von börsennotierten Unternehmen erfasst, eine Frauenquote von 40 Prozent ab 2020 vor. Für Handwerk und Mittelstand soll es Ausnahmen geben. Die Ausschüsse für Gleichberechtigung und Recht des Europaparlaments sprechen sich demnach dafür aus, von Sanktionen abzusehen, wenn das Unternehmen über transparente Verfahren seine Anstrengungen für das Erreichen der Quote nachweisen kann. Die Schwelle soll laut Klaß bei mindestens 250 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 50 Millionen Euro oder einer Jahresbilanzsumme von 48 Millionen Euro liegen. Europaparlament und nationale Regierungen müssen sich über die endgültige Richtlinie einigen. red

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