Frauke Petry gibt den Honecker

Berlin · Ein bisschen klang Frauke Petry wie Erich Honecker auf dem Höhepunkt der Ausreisewelle aus der DDR. "Wir weinen ihnen keine Träne nach", tönte der SED-Chef damals. Sie sei "nur begrenzt traurig" über den Abgang vieler aus der alten Führungsriege, meinte gestern auch die neue Chefin der Alternative für Deutschland (AfD).

Berlin. Persönlich habe Frauke Petry nach den Auseinandersetzungen und dem Machtwechsel beim Parteitag in Essen mit 20 Prozent Mitgliederschwund, also minus 4000, gerechnet. Da liege man mit aktuell nur 2000 Austritten sogar noch ganz gut. Es war eine trotzige Pressekonferenz der 40-jährigen Sächsin, die sich vergangenes Wochenende überraschend deutlich gegen den 52-jährigen Hamburger Wirtschaftsprofessor und Parteigründer durchsetzte und nun alle wesentlichen Positionen mit ihren Gefolgsleuten besetzt hat. Die anderen vier Mitglieder des neuen Bundesvorstandes brachte Petry mit zur ersten Präsentation auf die Dachterrasse der Berliner Parteizentrale. Die Botschaften: Es gebe keinen Rechtsruck, "die AfD steht inhaltlich genau da, wo sie vorher auch schon gestanden hat". Anti-Euro-Politik, mehr Volksentscheide, weniger Europa seien die Themen. Die Ausländerpolitik nannte sie als Letztes, ohne weitere Ausführungen. "Wir waren nie und werden nie der verlängerte Arm von Organisatoren wie Pegida sein", betonte sie auf Nachfragen. Alles andere sei "Propaganda im schlimmsten Sinne" von Lucke. Und die zweite Botschaft Pe trys: Vor einem Konkurrenzverein Luckes fürchtet sie sich nicht. "Es ist immer schön, wenn sich neue Parteien bilden", erklärte sie süffisant. "Allerdings hätte man sich auch im Frieden trennen können." Ob Lucke, dessen zuvor angekündigtes Austrittsschreiben gestern offiziell einging, tatsächlich eine neue Partei ins Leben ruft, ist weiter offen. Eine Befragung unter den Mitgliedern des von ihm gegründeten Vereins Weckruf 2015 ergab, dass rund 71 Prozent der rund 2600 Teilnehmer, die bei der Umfrage mitmachten, aller Voraussicht nach in eine solche Organisation eintreten würden. Wenn es dazu komme, "dann sind wir das Original, die die Kopie", ordnete Petry schon mal vorsorglich das Gefechtsfeld. Andere sind da nicht so locker. Außer den "rechten" Landesverbänden wie Sachsen oder Thüringen, die jetzt triumphieren, und den Lucke-treuen Gliederungen wie Schleswig-Holstein oder Rheinland-Pfalz, wo besonders viele Austritte zu verzeichnen sind, gibt es auch noch die neu tralen. Niedersachsens Landeschef Armin-Paul Hampel etwa sagte, zwar sei mit Luckes Abwahl der Ballast des Führungskonfliktes abgeworfen worden, doch komme es nun für die AfD sehr darauf an, Kurs zu halten. Eine rein rechte Partei habe in Deutschland noch nie Erfolg gehabt. Nur als breit aufgestellte liberal-konservative Volkspartei habe die AfD eine Chance. Bei Neueintritten müsse man daher genau hinschauen. Frühere NPD-Mitglieder hätten in der Partei nichts zu suchen. Auch in Führungskreisen der Lucke-kritischen Brandenburger AfD hieß es gestern, die Gefahr, dass die Partei nun nach rechts abrutsche, sei durchaus da. "Wir brauchen jetzt klare Signale der Abgrenzung vom Bundesvorstand."Meinung

Getrennt verlierenBernd Lucke und Frauke Petry werden sich noch wundern. Erfolgreich war die AfD bisher nur, weil sie das Unbehagen an der Euro-Rettung mit den diffusen Ängsten und Vorurteilen von Wutbürgern zu einer Brühe zu verrühren verstand. Wenn sie getrennt marschieren, werden die beiden Strömungen auch getrennt verlieren. Eine liberale Professorenpartei, wie Lucke sie offenbar gründen will, braucht niemand. Und was Petry versammelt, ist bloß Pegida zum Ankreuzen. Eine Kopie. Freuen kann sich die Union. Die Gefahr einer rechten Konkurrenz ist auf Bundesebene vorerst gebannt. In Deutschland fehlt die Konfliktballung und die soziale Basis für eine breitere braun-graue Bewegung. Damit auch das attraktive Personal. Und das ist doch mal eine gute Nachricht. nachrichten.red@volksfreund.de

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