Freiheit fürs Fernsehen

TRIER. Können sich die Privaten mit ihrem Bezahl-Fernsehen durchsetzen? Der Widerstand wächst. Der TV erklärt, was hinter den Plänen von RTL, MTV und dem luxemburgischen Satelliten-Betreiber SES steckt.

Die Deutschen leben im Fernsehparadies. Nirgends gibt es so viele Sender, die man ohne Bezahlung schauen kann. Wer in Frankreich, Schweden, Spanien oder Österreich Fernsehen über Satellit schaut, braucht eine Zugangskarte, für die monatlich Gebühren fällig werden. Free-TV (frei empfangbares Fernsehen) gehört dort zur Ausnahme. Logisch also, dass die Privaten in Deutschland, allen voran das mächtige RTL mit seinen sieben Programmen, demnächst auch Geld sehen wollen. "Der Markt für frei empfangbares Fernsehen ist bei uns ausgereizt", sagt Joachim Kind, Sprecher der Landesmedienanstalt LMK in Ludwigshafen. Die jetzt einsetzende Entwicklung sei abzusehen gewesen. Trotzdem übt die LMK zusammen mit den Medienwächtern der anderen Bundesländer harsche Kritik an den gemeinsamen Plänen der Privaten und des luxemburgischen Satelliten-Betreibers SES. Große Fernsehprogramme müssten auch weiter frei empfangbar bleiben, heißt es in der Stellungnahme. Auch die SPD-Bundestagsfraktion hat sich in die Diskussion eingeschaltet und macht sich stark für den Erhalt des freien Fernsehens. Zwar ist angekündigt, dass die Zuschauer für die 3,50 Euro, die pro Monat für den Empfang der verschlüsselten Programme fällig werden, auch Zusatzangebote wie etwa den kostenpflichtigen Einzelabruf von Filmen, spezielle Infos zum Programm, elektronische Fernsehzeitschriften oder persönliche Videorekorder erhalten. Doch bezweifeln die Medienanstalten, dass die Gebühr nur für die neue Technik verwendet wird. SES hat bereits angekündigt, dass ein Teil der Einnahmen auch an die Sender gehe. Branchenkenner rechnen damit, dass allein RTL 60 Millionen Euro zusätzlich verdienen könne. Doch nicht nur das ist ein Grund, warum die Zukunft des deutschen Fernsehens im Bezahlfernsehen liegt, wie LMK-Sprecher Kind prophezeit. Die Sender stehen unter dem Druck der Rechte-Inhaber von Serien, Filmen und Übertragungen. Je mehr Zuschauer sie sehen können, desto mehr müssen die Sender dafür bezahlen.Zuschauer drohen mit Boykott

Die digitale Ausstrahlung ermöglicht eine geographische Begrenzung. Außerdem könnte über die neue Plattform ein Signal mitgesendet werden, das verhindert, dass Filme aufgezeichnet werden. So wahren sich die Rechteinhaber die Möglichkeit, ihre Programme etwa auf DVD zu vermarkten. Selbst ARD und ZDF waren kürzlich von den rigiden Rechtevorschriften betroffen. Sie durften die WM-Spiele nicht über ihren digitalen Satelliten-Kanal ausstrahlen. Grund: Die Übertragungen wären dann auch außerhalb Deutschlands zu sehen gewesen, möglicherweise auch in Ländern, in denen private Bezahl-Sender Millionen für die Spiele bezahlt haben. Die wehrten sich natürlich gegen das "Hineinfunken" aus Deutschland. Doch noch ist bei den Öffentlich-rechtlichen eine so genannte Grundverschlüsselung der digitalen Satelliten-Programme nicht geplant. Es ist jedoch fraglich, ob die deutschen Zuschauer die Verschlüsselungspläne der Privaten so einfach schlucken werden. Bereits jetzt wächst der Widerstand gegen das Projekt. 53 Prozent bezeichnen es bei einer Umfrage der Internetzeitschrift Sat + Kabel als eine Frechheit. "Wir haben eine ganz andere Fernsehkultur, frei empfangbare Programme sind bei uns selbstverständlich", sagt Kind. Immer mehr Zuschauer drohen mit Boykott: "Stellt Euch vor, es läuft DSDS (Anm.: Deutschland sucht den Superstar), und keiner schaut hin", heißt es etwa in einem Internet-Forum. Der Protest formiert sich. Gegner der Pläne rufen im Internet unter www.rettet.das-freetv.de zu einer Unterschriftenaktion auf, Motto: "Wir lassen uns nicht ausbeuten."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort