Freundschaftlich, aber ohne Tiefgang

LUXEMBURG. Rückendeckung im Kampf für ein starkes Europa bekam der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker gestern vom deutschen Bundespräsidenten Horst Köhler. Am Mittwoch endet die EU-Ratspräsidentschaft von Luxemburg.

Zwei Tage vor Ablauf der EU-Ratspräsidentschaft hat Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker hohe Weihen empfangen - zumindest verbal. Persönlichkeiten wie er seien wichtig für Europa: "Er ist ein Mann, der wirklich um Europa kämpft. Ich bewundere ihn dafür", lobt Bundespräsident Horst Köhler den Regierungschef. Bereits einen Tag zuvor hatte Köhler dieser Bewunderung Ausdruck verliehen, als er Juncker nach dem militärischen Empfang vor dem großherzoglichen Palast ausgesprochen freundschaftlich begrüßte. Zwei, die sich offenbar gut verstehen und auf einer Wellenlänge liegen. Auch der luxemburgische Großherzog Henri zeigt sich später beim Mittagessen im Palast stolz auf den Regierungschef und lobt "die von ihm geleistete Arbeit". "Mister Europa", wie Juncker oft genannt wird, lächelt verschmitzt, als der deutsche Staatsgast ihn derart in den Himmel lobt. Doch das halbe Jahr EU-Ratspräsidentschaft haben den stets jugendlich wirkenden Sunnyboy der europäischen Politik um einige Jahre altern lassen. Jedenfalls hat die Zahl der Falten im Gesicht des 50-Jährigen mit der Verfassungs- und der Haushaltskrise der EU deutlich zugenommen. Er hatte sich eigentlich vorgenommen, den Einigungsprozess der Union während seiner Amtszeit als Ratspräsident deutlich voran zu bringen. Wenn er aber am Mittwoch den Stab an die EU-kritischen Briten weiter gibt, hinterlässt er - ohne eigenes Verschulden - einen politischen Scherbenhaufen. Doch der Optimist Juncker scheint Zweifel zu haben, ob angesichts der Krisen, das "europäische Schiff" wieder flott zu machen ist: "Einfach wird das nicht." Spätestens, wenn auch sein Land am 10. Juli gegen die EU-Verfassung stimmen sollte, dürfte das nicht nur für die europäische Union ein herber politischer Rückschlag sein, sondern auch für Juncker, der seine politische Zukunft in Luxemburg mit einem eindeutigen Ja seiner Landsleute verknüpft hat. Der skeptische Optimist

Auch wenn er an diesem Mittag bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Köhler nicht noch einmal explizit seinen Rücktritt für den Fall der Fälle ankündigt, macht er deutlich, dass er enttäuscht wäre über eine Niederlage, die er mittlerweile immerhin für möglich hält: "Ich habe Herrn Köhler in die Subtilität der luxemburgischen Meinungsforschung eingeführt, die ein sehr knappes Ergebnis erwarten lässt." Aus dem Optimisten ist ein Skeptiker geworden. Es klingt fast schon wie ein Appell, als Köhler sich von den Luxemburgern "wünscht", dass sie beim Referendum "positiv votieren": "Wir sind uns einig, dass man weiter arbeiten muss an Europa. Man darf nun nicht stehen bleiben mit der Feststellung: ,Wir sind in einer Krise'”, macht Köhler Mut. Schließlich sei Luxemburg ein Land, vor dem auch größere Länder Respekt haben sollten. Angesichts so vieler warmer Worte wundert es nicht, dass der Großherzog kurz drauf beim Essen Köhler das Lob zurück gibt. Er sei "das Staatsoberhaupt eines Deutschlands, das wir uns eigentlich schon immer gewünscht haben: ein guter Nachbar, ein zuverlässiger Freund, ein engagierter Partner in Europa, ein echter Verbündeter in der Verteidigung gemeinsamer Ideale und Werte". So endet der knapp zweitägige Besuch von Köhler wie er begonnen hat: freundschaftlich, aber ohne politischen Tiefgang. Er habe den Aufenthalt in der "wunderschönen Stadt" genossen, sagt Köhler. Insgeheim hat der ein oder andere Beobachter vor der Pressekonferenz gehofft, der Bundespräsident, der als jemand gilt, der sich gerne einmischt, könnte den Staatsbesuch fünf Tage vor der Vertrauensfrage von Bundeskanzler Gerhard Schröder dazu nutzen, seinen Standpunkt zu Neuwahlen in Deutschland kundzutun. Doch Köhler schweigt dazu - wie seit Wochen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort