Frühlingseuphorie ade

Der 26. April 1986 - scheinbar ein Tag wie jeder andere. Mitten in die Frühlingseuphorie eine Nachricht, die die Welt mit einem Mal verändert, auf den Kopf stellt. Was als gedachtes Horrorszenario Angst und Schrecken verbreitete, war pure Realität geworden.

Die Nachrichten kommen schleppend, sind verwirrend, verschleiernd. Unsere Volksvertreter sind konfrontiert mit Wahrheiten, die sie überrumpeln, erschlagen. Wie kann man sie weitergeben? Was ist überhaupt noch Wahrheit? Viele beschwichtigen, verniedlichen die Tatsachen, die nach und nach ans Licht kommen. Andere geben Warnungen, Empfehlungen, die sie ständig ändern und den "neuen" Nachrichten aus dem Katastrophengebiet anpassen. Was können wir aus unserem Bio-Garten noch ernten und mit Appetit essen, was kann man noch wo kaufen, darf man, kann man sich noch draußen aufhalten, oder muss man alles dicht machen, abwarten - worauf - und dann...? Wenige Tage vorher weiß ich, dass ich ein Kind erwarte, zweiter Monat der Schwangerschaft. Die Auswirkungen der Katastrophe sollen besonders riskant sein für das ungeborene Kind, Schäden seien mit großer Wahrscheinlichkeit möglich. Ich verliere fast den Boden unter den Füßen. In meiner Sorge, Ratlosigkeit und Unfähigkeit, etwas zum Guten zu verändern, schließe ich mich der großen Versammlung in der Innenstadt an - mit vielen, vielen anderen hilflosen und ratlosen Mitmenschen und in Solidarität mit den vielen unmittelbar betroffenen und - bis heute leidenden - Menschen im Katastrophengebiet. Ingeborg Rommelfanger, Trier

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