Frühlingsfest statt Koalitionspoker

Berlin · Martin Schulz bleibt dem Gipfeltreffen fern. Die Union ist empört.

 An der Fraktionssitzung seiner Partei in Berlin hat der neue SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Martin Schulz teilgenommen. Beim Treffen des Koalitionsausschusses kommenden Dienstag will er fehlen. Foto: dpa

An der Fraktionssitzung seiner Partei in Berlin hat der neue SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Martin Schulz teilgenommen. Beim Treffen des Koalitionsausschusses kommenden Dienstag will er fehlen. Foto: dpa

Martin Schulz sei ein Kandidat, "der lieber feiern geht als zu arbeiten", ätzte gestern der Parlamentsgeschäftsführer der Union, Michael Grosse-Brömer. Hintergrund: Der neue SPD-Chef will am kommenden Dienstag zum Frühlingsempfang der eigenen Bundestagsfraktion gehen und nicht zum fast zeitgleich stattfindenden Koalitionsausschuss. Die Union ist empört - und wittert ihre Chance, den Merkel-Herausforderer endlich zu packen. Die SPD wiederum sucht nach einem Ausweg.

Der Vorgang klingt zunächst einmal banal: In einem Interview am Sonntag nach seiner Wahl zum SPD-Chef hatte Schulz eher nebenbei angekündigt, Vize-Kanzler Gabriel und Fraktionschef Thomas Oppermann (beide SPD) würden ihn beim Koalitionsgipfel vertreten. Er selbst werde die Fraktionsfeier, die Schulz fälschlicherweise "Sommerfest" nannte, besuchen. Ein Patzer? Eine Unachtsamkeit des gestressten Kandidaten? Es dauerte dann ein wenig, bis die Äußerung vom politischen Gegner registriert wurde. Seit gestern sorgt der Vorgang im politischen Berlin für Aufregung. "Party statt Politik", schimpfte Grosse-Brömer.

Der Koalitionsausschuss berät "Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung", und er "führt in Konfliktfällen Konsens herbei". So steht es im Koalitionsvertrag. Heute bereits wollen sich die Spitzen der Union bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) treffen, um den Ausschuss vorzubereiten. Denn es geht um Wichtiges. Auf der Tagesordnung könnten dem Vernehmen nach weitere Maßnahmen bei der Inneren Sicherheit, Änderungen beim geplanten Teilzeitgesetz und eventuell auch noch der Unionsvorschlag zum Wahlrecht stehen, um einen aufgeblähten Bundestag nach der Wahl im September zu verhindern. Sozusagen das restliche Arbeitsprogramm der Regierung. Viel Zeit haben Union und SPD nämlich nicht mehr, um ihre Vorhaben umzusetzen.

Im Koalitionsausschuss sitzen die wichtigsten Politiker der Bündnispartner, also die drei Parteichefs, der Vizekanzler, je nach Thema die zuständigen Minister sowie die Vorsitzenden der Fraktionen. Und da Schulz inzwischen SPD-Chef ist, hat er einen Platz in dem Gremium. Es wäre seine erste Teilnahme gewesen. Offenbar wolle er sich vor der Verantwortung drücken, schimpfte CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt. "Das kann ein Parteivorsitzender so nicht machen." Unionsfraktionschef Volker Kauder betonte, er gehe davon aus, "dass der Koalitionsausschuss stattfindet und Herr Schulz daran teilnimmt".

So etwas nennt man Druck entfalten. In der SPD hat man freilich inzwischen selbst gemerkt, dass Schulz` Begründung für sein Fernbleiben eine Angriffsfläche geboten hat und womöglich ein Fehler gewesen ist. Thomas Oppermann musste daher gestern die Kohlen etwas aus dem Feuer zu holen. Oppermann, der nun als Fraktionschef bei der eigenen Fraktionsfeier fehlen wird, beklagte, dass der Termin für das Treffen des Ausschusses ohne seine Zustimmung festgelegt worden sei und deswegen mit dem Fest kollidiere. Traditionell werde bei der Feier auch der "Otto-Wels-Preis für Demokratie" vergeben. Mit dem Preis zeichnet die Fraktion junge Menschen aus, die sich für Zusammenhalt und gegen Ausgrenzung einsetzen. Martin Schulz werde nun für ihn die Würdigung der Preisträger übernehmen, sagte Oppermann. Und dafür sei er "ihm dankbar".

Doch reicht das als Begründung? Ausgestanden ist das Thema damit noch nicht. Durchaus möglich ist, dass das Spitzentreffen zeitlich nach hinten oder ganz verschoben wird, wie gestern hinter den Kulissen gemunkelt wurde. Je nachdem, ob sich die Debatte über das Fehlen von SPD-Chef Schulz weiter zuspitzt - oder nicht.Extra: Wirbel um Computerspiel

(sey) Ein von Programmierern auf Einladung der SPD entwickeltes Computerspiel stößt der CDU übel auf. "Nicht witzig, geschmacklos", twitterte CDU-Bundesvize Julia Klöckner, "makaber und menschenverachtend", ergänzte ihr Landesgeneralsekretär Patrick Schnieder. In dem Onlinespiel namens Schulzzug ("Bremsenloser Spielspaß") tuckert eine vom SPD-Kanzlerkandidaten gesteuerte Lok Richtung Kanzleramt. Dabei sollen die Spieler möglichst viele Münzen und Sterne aufsammeln. Extrapunkte gibt es, wenn der Spieler Politiker wie AfD-Chefin Frauke Petry, US-Präsident Donald Trump oder den russischen Präsidenten Wladimir Putin überfährt, die sich in den Weg stellen. Der Protest gegen das eher simpel gestrickte Computerspiel wurde von Tag zu Tag heftiger. Gestern hieß es schließlich, die Entwickler seien gebeten worden, das Spiel zu entschärfen. SPD-Generalsekretärin Katarina Barley: "Es ist schon ein echtes Armutszeugnis für die CDU, wenn sie meint, damit jetzt Wahlkampf machen zu müssen."
Das Computerspiel finden Sie unter http://schulzzug.eu SPD in Umfrage vor der Union

(dpa) Die SPD liegt in einer Umfrage bundesweit wieder vor der Union. Bei einer Bundestagswahl würden sich demnach zurzeit 32 Prozent der Wähler für die Sozialdemokraten mit ihrem Kanzlerkandidaten Martin Schulz entscheiden, wie das Institut Insa im Auftrag der Bild-Zeitung ermittelte. Das ist ein Prozentpunkt mehr als in der Vorwoche. CDU und CSU kämen unverändert auf 31 Prozent. Die AfD käme auf 11,5 Prozent, die Linke auf 8,5 und die FDP wie die Grünen auf 6,5 Prozent.

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