Frühlingsgefühle und düstere Aussichten

Moskau · Es ist der erste Frühling nach dem "Krim-Frühling" im vergangen Jahr. Moskau begeht den Jahrestag, als wäre der Anschluss der Krim so etwas wie eine russische Neugeburt gewesen. Doch das Leben ist schwieriger geworden.

Moskau. Junge Russen auf der Krim üben vor den Feierlichkeiten das Marschieren und skandieren begeistert patriotische Parolen. Auch die Bereitschaft das neue Vaterland zu verteidigen, scheint groß zu sein. Im Unterschied zum russischen Mutterland drängen die jungen Männer zum Wehrdienst. Auf den ersten Blick hat sich an Begeisterung und Freude seit dem Anschluss an Russland nichts verändert. Doch das Leben ist schwieriger geworden.
In einem Jahr hat sich die Halbinsel in eine Insel verwandelt. Die Abschottung war nicht beabsichtigt und auch der russische Besatzer hat die Folgen vorher wohl nicht bedacht. Schon am Bahnhof von Simferopol wird das augenfällig. Wo früher täglich Dutzende Züge aus Kiew, Moskau oder Minsk einliefen, herrscht Ruhe. Ende Dezember wurde der Verkehr eingestellt. Eine Verbindung in die Ukraine gibt es nicht mehr. Auch der Verkehr über die Straße ist mühsam geworden. Der Norden der Insel verwandelte sich in eine schwer bewachte Grenzlandschaft. Die Fährverbindung von Kertsch in den Hafen Kawkas im Osten der Insel ist nach wie vor die Hauptverbindung nach Russland. Doch die See ist hier sehr unruhig, häufig fallen die Fähren wegen stürmischen Wetters aus.
Kremlchef Wladimir Putin beauftragte schon im letzten Jahr seinen Freund Arkadij Rotenberg mit dem Bau einer Brücke. Das Unternehmen ist aber technisch anspruchsvoll und ziemlich kostspielig. Rund drei Milliarden Euro stellte der Kreml dafür in Aussicht. Insgesamt sah der Entwicklungsplan für die Krim 680 Milliarden Rubel vor - rund zehn Milliarden Euro. Doch das war noch vor Wirtschaftskrise, Sanktionen und dem Kurssturz des Rubels.
Experten in Moskau vermuten daher, das Vorhaben könnte aufgeschoben werden. Die "heilige Krim", wie Putin die Insel nennt, droht kostspieliger zu werden als erwartet. Die Enttäuschung behalten die Krimbewohner für sich. Sie sind geduldig und hoffen auf die Zukunft. Außerdem gibt es auch noch die üblichen Sündenböcke, die das zu verantworten haben: der Westen und die USA.
Engpässe treten auch bei der Wasser- und Stromversorgung auf. 85 Prozent des Wasserbedarfs der Krim wurden vom ukrainischen Festland geliefert. Die Stromversorgung funktioniert nur einige Stunden am Tag. Offensichtlich wusste Präsident Putin, was für geduldige Bürger ihn auf der Krim erwarten.
Tatsächlich sieht die Zukunft der Krim eher düster aus. Wassermangel bedroht die Landwirtschaft. Der Tourismus als Haupteinnahmequelle der Insel wird in diesem Jahr laut Tourismusministerin Jelena Jurtschenko noch weiter einbrechen. 2014 kamen offiziell drei Millionen Touristen, halb so viel wie 2013. Und die Hälfte der russischen Urlauber vom letzten Jahr will wegen des niedrigen Standards nicht wiederkommen. Auch die Lebenshaltungskosten sind erheblich gestiegen, seit die Ukraine die Insel nicht mehr versorgt. Alles muss über weite und umständliche Wege herangeschafft werden. Ansonsten folgt die Integration der Krim dem innenpolitischen Muster Moskaus: die Schrauben werden angezogen. Das kannten die Krimbewohner bisher gar nicht. Die Medien wurden umgehend gleichgeschaltet und kritische Journalisten werden unter Druck gesetzt oder aus dem Land getrieben.
Die Minderheit der Krimtataren gerät überdies in die politische Isolation. Schon einmal im 20. Jahrhundert wurden sie von Russland in die Steppen Zentralasiens deportiert. Sie fürchten, dieses Schicksal könnte ihnen noch einmal widerfahren.
Auf den Straßen kontrollieren unterdessen die "Selbstverteidiger" des Krim-Frühlings. Ihnen wird nachgesagt, dass sie legalisierte Wegelagerer seien. Kurzum: Alles ist wie im Mutterland.Extra

Kremlsprecher Dmitri Peskow hat Berichte zurückgewiesen, denen zufolge Präsident Wladimir Putin erneut Vater geworden sei. "Diese Informationen entsprechen nicht der Wirklichkeit", sagte Peskow. Putin war seit einem Treffen mit Italiens Regierungschef Matteo Renzi am 5. März in Moskau nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen worden. Dies gab Anlass zu Gerüchten. "Der Präsident fühlt sich gut", hatte Peskow am Donnerstag zu Gerüchten über eine Erkrankung gesagt. Nun machten Gerüchte die Runde, Putin habe Termine verschoben, weil er Vater geworden sei.dpa

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