FÜNF FRAGEN AN...

...Wolfgang Thierse (SPD), Vizepräsidenten des Bundestages, zur Nach-WM-Zeit: Die Fußball-WM ist vorbei. Spüren Sie schon die große Leere?Thierse: Noch nicht. Ein bisschen klingen die fröhlichen Tage und fußballerischen Höhepunkte ja nach.

Auf welche bleibenden Nebenwirkungen der WM hoffen Sie? Thierse: Ich hoffe, wir Deutschen haben bemerkt, dass wir heiter und fröhlich, dass wir freundlich zueinander und zu unseren Gästen sein können. Dass wir eben ein glücklicheres Volk sind, als wir gelegentlich von uns denken. Hat die Politik die WM für sich instrumentalisiert?Thierse: Dieser Vorwurf ist falsch. Dass wir wichtige Reformentscheidungen bis zur Sommerpause getroffen haben wollten, war eine vernünftige und von der WM unabhängige Planung. Der Fußballreformer Jürgen Klinsmann wird inzwischen wie ein Heilsbringer gefeiert. Kann die Politik von ihm etwas lernen?Thierse: Klinsmann ist kein Vorbild für die Politik. Ich warne davor, dies anders zu sehen. Ein Bundestrainer kann mutig und entschlossen handeln. Er kann seine Meinung gegen viele Widerstände durchsetzen. In der Politik geht das nicht. Da geht es um notwendige, mühselige Kompromisse und um Interessenausgleich. Ich sage: Die Demokratie ist kein Sportverein, wo einer der Trainer ist und die anderen zu gehorchen haben. Wir mögen doch alle den Klinsmann, aber zu sagen, macht es wie er, das geht nicht. Und es darf auch so nicht gehen. Zumindest hat die Nationalelf für ein neues Wir-Gefühl in Deutschland gesorgt. Was halten Sie vom neuen Patriotismus?Thierse: Ich bin neugierig, wie lange dieser Patriotismus tragen wird. Patriotismus ist nicht emotionale Begeisterung, sondern die Bereitschaft, uneigennützig für das eigene Land einzustehen. Und zwar auch in schwierigen Zeiten, wenn es um Reformen und schmerzliche Entscheidungen geht. Jetzt wird sich erweisen, ob das, was wir als großes Gefühl erlebt haben, wirklicher Patriotismus ist. Denn dann werden die Bürger sagen: Ja, die Reformen sind notwendig, es ist für die Zukunft unseres Landes. Auch wenn es mir jetzt weh tut. Die Fragen stellte unser Korrespondent Hagen Strauß.

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