Für Wohlfahrt ist kein Geld mehr da

Für einige Experten war es nur eine Frage der Zeit, wie lange sich Luxemburg seine vergleichweise üppigen Sozialleistungen noch leisten kann. Der Zeitpunkt scheint jetzt da zu sein. Und das trifft Arbeitnehmer jenseits der Grenze mitunter hart.

 Täglich fahren rund 30 000 Pendler aus der Region Trier nach Luxemburg zum Arbeiten. Auch sie sind von den geplanten Sparmaßnahmen im Nachbarland betroffen. TV-Foto: Friedemann Vetter

Täglich fahren rund 30 000 Pendler aus der Region Trier nach Luxemburg zum Arbeiten. Auch sie sind von den geplanten Sparmaßnahmen im Nachbarland betroffen. TV-Foto: Friedemann Vetter

Luxemburg. 1682 Euro brutto - weniger darf in Luxemburg ein ungelernter Arbeiter in einer Vollzeitstelle nicht verdienen, qualifizierte Arbeitnehmer müssen mindestens 2018,31 Euro jeden Monat erhalten. Damit liegt das Großherzogtum an der Spitze der EU-Staaten, was den gesetzlichen Mindestlohn angeht. Was den Arbeitgebern im Ländchen längst ein Dorn im Auge ist, macht den Arbeitsmarkt jenseits der Grenze vor allem für Deutsche attraktiv. Eine deutsche Verkäuferin verdient mit einem Halbtagsjob an einer luxemburgischen Tankstelle mitunter mehr, als sie wenn sie in einem Discounter hinter der Kasse sitzen würde.

Für den Durschnittsluxemburger ist der Mindestlohn aber gar nicht so hoch. Denn die Lebenshaltungskosten im Nachbarland sind im Vergleich zu Deutschland sehr viel höher. Vor allem Lebensmittel, Mieten und Immobilien kosten dort ein Vielfaches mehr. Während in Rheinland-Pfalz im März die Preise um 1,1 Prozent gestiegen sind, kletterten sie in Luxemburg um 2,3 Prozent. Experten warnen jedoch schon seit langem, dass diese Inflation im Großherzogtum hausgemacht ist. Denn die Gehälter werden jährlich der Steigerung der Lebenshaltungskosten automatisch angepasst. Diese sogenannte Indexerhöhung beschert den Arbeitnehmern in Luxemburg jedes Jahr eine Gehaltserhöhung von im Schnitt 2,5 Prozent. Daher liegen die durchschnittlichen Verdienste in Luxemburg auch deutlich über denen in Deutschland. Verdient ein Industriearbeiter in Rheinland-Pfalz im Schnitt 3223 Euro brutto im Monat, sind es jenseits der Grenze nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit 4161 Euro. Da sich die zu bezahlenden Lohnsteuern anders als diesseits der Grenze nach der familiären Situation richten, werden vor allem Familien steuerlich entlastet. Ein Arbeitnehmer mit zwei Kindern bezahlt gerade noch zwölf Prozent Lohnsteuer. Auch ansonsten sind die Familienleistungen in Luxemburg deutlich höher als in Deutschland. Für ein Kind gibt es 185,60 Euro (in Deutschland sind es 184 Euro), für zwei Kinder 440,72 Euro (368 Euro) und für drei Kinder 802,74 Euro (558 Euro). Pendler erhalten automatisch einen Ausgleich zum deutschen Kindergeld von der luxemburgischen Familienkasse. Außerdem gibt es einmal im Jahr einen sogenannten Kinderbonus von 922,50 Euro pro Kind.

Doch es gibt nicht nur Licht bei den Sozialleistungen in Luxemburg. Während in Deutschland die Elternzeit drei Jahre beträgt, dürfen Mütter in Luxemburg maximal neun Monate zu Hause bleiben. In Zukunft sollen es nur noch vier Monate sein. Wo Gewerkschaften einen Frontalangriff auf den Sozialstaat sehen, da sehen Experten einen notwendigen Schritt. Schon lange warnten sie, dass sich Luxemburg den Wohlfahrtsstaat nicht mehr leisten kann. Regierungschef Jean-Claude Juncker hatte sich bislang immer geweigert, seine Bürger über Gebühr zu belasten.

Vor allem Familienleistungen wie Elternzeit, Kindergeld und Kinderbonus würden nun radikal zusammengestrichen, befürchtet Thomas Schulz, beim saarländischen Gewerkschaftsbund zuständig für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. "In dieser Härte ist der Sozialabbau sehr überraschend", sagt er. Aber wohl kaum zu vermeiden. Allein das Streichen des Kindergeldes für über 21-Jährige spart laut luxemburgischer Regierung 40 Millionen Euro - und der Wegfall der jährlichen Schulanfangszulage 30 Millionen Euro.

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