Funkstille im teuersten Knast der Welt

Columbia (South Carolina) · Es ist nicht zuletzt die Logik des Sparens, mit der Barack Obama seine konservativen Widersacher zu locken versucht. Würden die letzten Häftlinge aus Guantánamo aufs amerikanische Festland verlegt, würde der US-Präsident nicht nur ein Wahlversprechen einlösen. Es würde auch deutlich billiger.

 Straßenszene vor einem Internierungslager in Guantánamo. Am Gefängniszaun Betonpoller mit dem Schrifzug Honor (Ehre). TV-Foto: Frank Herrmann

Straßenszene vor einem Internierungslager in Guantánamo. Am Gefängniszaun Betonpoller mit dem Schrifzug Honor (Ehre). TV-Foto: Frank Herrmann

Guantánamo ist der teuerste Knast der Welt, die Unterbringung von derzeit noch 91 Gefangenen kostet rund 450 Millionen Dollar im Jahr. Selbst wenn ein Hochsicherheitstrakt in Colorado, Kansas oder South Carolina nochmals nachgerüstet werden muss, damit wirklich niemand mehr einwenden kann, er sei nicht sicher genug, würde der Fiskus viel Geld sparen. Doch so überzeugend allein schon die fiskalischen Argumente klingen, Obama dürfte es bis zum Abschied vom Amt kaum gelingen, das Lager zu schließen. Denn am Widerstand im Kongress, das lassen bereits die ersten Reaktionen auf seinen Vorstoß erkennen, hat sich nichts geändert. Die Republikaner werden sich ihrer Mehrheit in beiden Parlamentskammern bedienen, um Obamas Plan zu blockieren.

Paul Ryan, der Speaker des Repräsentantenhauses, verweist auf Beschlüsse der Legislative, nach denen kein einziger Cent dafür ausgegeben werden darf, Häftlinge aus der Flottenbasis in der Karibik aufs Festland zu bringen. Noch resoluter klingen die Spitzenreiter des republikanischen Rennens um die Präsidentschaftskandidatur. "Wir werden Guantánamo auffüllen mit bösen Buben", dröhnt der Milliardär Donald Trump, während Marco Rubio, Sohn kubanischer Einwanderer, jeden Gedanken an Kompromisse verwirft. "Wir werden Guantánamo nicht nur nicht schließen", sagt der Senator aus Florida. "Wenn wir einen Terroristen fangen, wird er bestimmt kein Verfahren in Manhattan bekommen."

Doch auch bei den Demokraten melden sich Zweifler zu Wort. Vor allem sind es Politiker, die zwar grundsätzlich nichts gegen einen Transfer der Häftlinge haben - aber doch bitte nicht in den Bundesstaat, den sie vertreten. "Not in my backyard", "Nicht in meinem Hof", lautet - salopp formuliert - ihre Devise. Er sei zwar für das Ende des Lagers, sagt Michael Bennet, ein demokratischer Senator aus Colorado, "aber Militärgefangene sollten in Militärgefängnissen einsitzen, und solche Einrichtungen besitzt Colorado nicht".

Was Colorado besitzt, ist eine Haftanstalt in Florence, einem Dorf am Fuße der Rocky Mountains, in der mehrere Terroristen einsitzen, zum Beispiel Ramzi Yousef, der 1993 einen Bombenanschlag auf das New Yorker World Trade Center geplant hatte. Auf der Suche nach Guantánamo-Alternativen hat das Pentagon das abgelegene Florence immer wieder ins Spiel gebracht, ebenso wie Fort Leavenworth, ein Militärgefängnis in Kansas, oder einen Flottenstützpunkt in Charleston in South Carolina. Obama vermeidet es, Ortsnamen zu nennen, allein schon im Wissen um die Skepsis der Not-in-my-backyard-Strategen.

Der Präsident ist gewissermaßen Opfer seiner eigenen Zögerlichkeit geworden. Als er im Januar 2009 ins Weiße Haus einzog, gehörte ein Dekret, Guantánamo binnen zwölf Monaten zu schließen, zu seinen ersten Amtshandlungen. Sieben Jahre zuvor hatte sein Vorgänger George W. Bush das Kapitel begonnen. Zeitweise waren mehr als 800 Terrorverdächtige auf Kuba inhaftiert, Bush sprach von "feindlichen Kämpfern", denen er den vergleichsweise privilegierten Status von Kriegsgefangenen nicht zubilligen wollte. In den ersten beiden Jahren der Regierung Obama wäre eine Schließung wohl noch möglich gewesen. Doch spätestens, nachdem sich die die Republikaner die Mehrheit im Repräsentantenhaus und später auch im Senat sicherten, konnten sie wirkungsvoll bremsen.

Aktuell rechnet das Oval Office damit, bis zum Sommer weitere 35 Häftlinge, die als unschuldig gelten, in andere Staaten abschieben zu können. Gegen zehn wurde Anklage erhoben, darunter Khaled Scheich Mohammed, der mutmaßliche Chefplaner der Anschläge vom 11. September 2001. 46 Insassen gelten als "unbefristet Inhaftierte", von denen die meisten aus Mangel an Beweisen nicht vor ein Gericht gestellt werden können, aber zugleich für zu gefährlich gehalten werden, als dass man sie freilassen könnte. Nach heutigem Stand wären es also 56 Gefangene, die in die USA verlegt werden müssten. Ein Ausweg bleibt Obama vielleicht noch: Er könnte Guantánamo per Exekutivorder am Kongress vorbei schließen. Für diesen Fall allerdings haben prominente Republikaner bereits eine Klage angekündigt.

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