Fuß in der Tür?

Wer die demographischen Zahlen hochrechnet, und sich das daraus resultierende Szenario des Jahres 2020 ausmalt, riskiert einen beschleunigten Puls: Nach Lage der Dinge hätte die Türkei dann mehr Einwohner als Deutschland, würde - im Falle eines erfolgten EU-Beitritts - den südeuropäischen Raum dominieren und könnte sich als größtes Land der EU rühmen. Wenn, ja wenn. Damit dieser Traum der Türken nicht zum Albtraum des restlichen Europas wird, kämpfen die deutschen Christenparteien offen gegen den Beitritt. Nicht mal eine Beitrittsperspektive soll es geben, denn das wäre der berühmte Fuß in der Tür. Den Konservativen in Deutschland (und anderswo) ist der islamisch geprägte Staat zwischen Morgen- und Abendland nicht ganz geheuer. Zu arm, zu exotisch. Statik, Gewichte und Werte in der EU würden sich verschieben. Anders Rot-Grün: Die Koalition gibt sich tolerant, sieht mehr Chancen als Risiken, und plädiert für eine Beitrittsperspektive. Ein hochpolitischer Konflikt. CDU und CSU wollen das brisante Thema im EU-Wahlkampf ausschlachten, was nicht ohne Gefahr ist. Machen sie es fair, ist die Sache okay. Schüren sie aber bloß Ressentiments, richten sie innen- wie außenpolitisch Schaden an. Immerhin hat die CDU-Vorsitzende Merkel bei ihrem Türkeibesuch am Montag einen guten Eindruck hinterlassen. Sie spielt mit offenen Karten, dämpft die türkischen Erwartungen und empfiehlt einen "dritten Weg". Der wäre gar nicht so schlecht. Allerdings müsste er breiter gepflastert sein als dies bislang geplant ist. nachrichten.red@volksfreund.de

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