Gabriel lässt die Basis los

Berlin · Nach der Wahl ist vor der Wahl - das weiß auch die SPD-Linke. Um vorschnelle Personalentscheidungen wie im Fall Steinmeier 2009 zu verhindern, fordern sie ein Parteikonvent unmittelbar nach der Wahl. Parteichef Gabriel gewährt den Linken diesen Wunsch. Hat er selbst Ambitionen auf den Fraktionsvorsitz?

Berlin. Es ist ein ungewöhnlicher Vorgang: Der Wahlkampf beginnt gerade erst so richtig, und schon legt die SPD ihr Vorgehen für die unmittelbaren Tage nach der Wahl fest. Erstmals soll der sogenannte Konvent, ein kleiner Parteitag, über die weiteren Schritte beraten, nicht mehr nur der Vorstand.
Hinter dem Beschluss, der letzte Woche auf Antrag Sigmar Gabriels gefällt und erst jetzt durch eine Veröffentlichung des Spiegel bekannt wurde, steckt nicht nur die Absicht des Vorsitzenden, die Basis stärker zu beteiligen - sondern auch viel innerparteiliche Intrige.Bundestagswahl 2013


Antreiber für den Plan waren die Parteilinken. Sie hatten Gabriel vor der SPD-Vorstandssitzung intern signalisiert, dass sie öffentlich ein solches Treffen des 200-köpfigen Konvents fordern würden. Ihr Motiv: die Sorge, dass der Vorstand bei einem entsprechenden Wahlergebnis wieder wie schon 2005 den Gang in eine große Koalition beschließen könne.
Ein Konvent, so die Erwartung, werde das verhindern oder aber mindestens harte Bedingungen formulieren. Etwa die sofortige Einführung eines Mindestlohns. Einige Linke planen außerdem schon jetzt einen Antrag an den Konvent, dass ein Mitgliederentscheid über das Verhandlungsergebnis mit der Union stattfinden muss. Klares Ziel, so ein führender Linker: "Die Große Koalition verhindern".
Der Konvent ist ein erst vor zwei Jahren eingeführtes Gremium, das zwischen den einmal jährlich stattfindenden großen Parteitagen zusammenkommen soll, um Grundsatzbeschlüsse zu fassen.
Ein zweites Ziel ist wohl eher ein Beifang. Es heißt: "Steinmeier verhindern". Frank-Walter Steinmeier möchte wieder Fraktionsvorsitzender werden, und normalerweise wählt die neue Bundestagsfraktion ihren Chef schon am Dienstag oder Mittwoch nach der Wahl. Im Jahr 2009, als er selbst Spitzenkandidat gewesen und gescheitert war, hatte Steinmeier unmittelbar nach Bekanntgabe der Stimmergebnisse mitgeteilt, dass er dieses Amt anstrebe, und auf diese Weise Fakten geschaffen. Das soll sich nicht wiederholen.
"Wir wollen nicht, dass wieder in Hinterzimmern entschieden und Personalentscheidungen Sonntag um 18.10 Uhr im Fernsehen mitgeteilt werden", so ein führender Parteilinker. Der Konvent soll nun am Dienstagnachmittag tagen. Das Kalkül: Wenn ein Konvent anberaumt ist, muss Steinmeier wohl oder übel diese Zusammenkunft und die Stimmung dort abwarten. Außerdem werden auch Gabriel Ambitionen auf den Fraktionsvorsitz nachgesagt. Freilich, bisher haben sich Partei und Fraktion nie gegenseitig in ihre Personalentscheidungen eingemischt. Und was die Stimmungslage angeht: Bei einem halbwegs guten Wahlergebnis wäre Steinmeier, der in der Fraktion sehr angesehen ist, auch durch einen Konvent nicht gefährdet. Und bei einem Desaster würden ohnehin auf allen Ebenen die Karten neu gemischt, auch für Gabriel.Parteichef entscheidet allein


Steinmeier war auf der Vorstandssitzung letzten Montag nicht anwesend; Steinbrück gerade zu einem Pressetermin draußen, als Gabriel den Beschluss fassen ließ. Wie es heißt, weil es sonst bis zur Wahl keine Vorstandssitzung mehr gegeben hätte, die den Konvent hätte einberufen können. Man habe also jetzt entscheiden müssen. Abgesprochen war Gabriels Schritt mit den Steinbrück und Steinmeier nicht, und beide sind mit dem Beschluss auch nicht glücklich. Wenn man jetzt einen solchen Termin festlege, heißt es in ihrem Umfeld, werde das öffentlich so interpretiert, als bereite die SPD schon ihr Handeln für den Fall eines Scheiterns von Rot-Grün am 22. September vor. Das sei "nicht sehr geschickt".Extra

Der Parteikonvent soll in der Woche nach der Wahl stattfinden, sagte Generalsekretärin Andrea Nahles am Montag in Berlin. Im Gespräch ist nach einem entsprechenden Vorstandsbeschluss der 24. oder 27. September. Da bei einem schlechten Abschneiden bei der Bundestagswahl personelle Konsequenzen möglich sind, könnte der Konvent dafür den Weg bereiten. Definitiv entscheiden muss aber der Bundesparteitag, der am 14. bis zum 16. November in Leipzig stattfindet. dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort