Geburtshelferinnen in Existenznot

Trier/Berlin · Immer mehr selbstständige Hebammen geben ein Kernstück ihres Berufes auf - die Geburtshilfe. Grund sind die steigenden Kosten. Anlässlich des Hebammentages an diesem Samstag schreiten die Frauen zum Protest.

Trier/Berlin. Die Arbeit als Hebamme bedeutet oft ein Leben auf Abruf. Wann kommt das Kind, wann braucht eine Frau Hilfe bei der Nachsorge? Jitka Weber aus Berlin ist seit sechs Jahren Hebamme - und hat bereits ans Aufhören gedacht. Aber nicht wegen der zeitlichen Belastung, sondern wegen finanzieller Sorgen.
Und den freiberuflichen Hebammen in der Region Trier geht es ähnlich: Seit Jahren steigt die Berufshaftpflicht für selbstständige Hebammen, und ein Ende ist nicht in Sicht. Denn Fehler bei der Geburt sind für die Versicherungen besonders teuer.
"Die Vergütung war schon immer schlecht", sagt die 29-jährige Jitka Weber. "Und wo die Haftpflicht so einen enormen Anstieg gemacht hat, sind viele eingeknickt." Seit Jahren wehren sich Hebammen erfolglos gegen die steigenden Prämien bei der freiberuflichen Geburtshilfe. 2010 stieg der Beitrag von 2370 auf 3689 Euro - von Juli an soll der jährliche Beitrag auf mehr als 4200 Euro wachsen.
Der Grund dafür seien die steigenden Versicherungskosten, sagt Katrin Rüter vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Pro Jahr legten sie im Schnitt um fast 15 Prozent zu. Dabei machten Hebammen nicht mehr Fehler als früher. Doch die Heil- und Pflegekosten kletterten kontinuierlich.
Hausgeburten fast unmöglich



Mehr als die Hälfte der im Deutschen Hebammenverband (DHV) organisierten Frauen ist freiberuflich tätig. Doch Geburtshilfe leistet nach Verbandsangaben nur noch ein Viertel aller Selbstständigen. Statt Geburten zu begleiten, weichen die Hebammen auf Vorbereitungskurse oder Wochenbettbetreuung aus - Bereiche, in denen die Haftpflicht nicht so hoch ist.
Und damit wird es für werdende Mütter immer schwieriger, die von Krankenkassen finanzierte Beratung und Betreuung während Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Stillzeit zu finden. Für Hausgeburten gibt es in Trier und Umgebung nur eine Hebamme. Zukunft ungewiss. "Von einer freien Wahl des Geburtsortes kann man hier nicht mehr reden", sagt Anja Lehnertz, Kreisvorsitzende des Hebammenverbands. Meist bleibe nur der Gang in die Klinik.
Die Hebammen fordern mehr Unterstützung von der Politik. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) will sie angesichts ihrer zunehmenden Existenzsorgen nun besser unterstützen. "Ich fordere die Krankenkassen auf, bei den künftigen Verhandlungen die Situation der Hebammen besser zu berücksichtigen", sagte Bahr am Freitag der Süddeutschen Zeitung. Selbstständige Geburtshelferinnen verhandeln derzeit mit den Kassen über eine Anhebung ihrer Gehälter.
Tatsächlich ist seit Jahresanfang gesetzlich festgelegt, dass die Krankenkassen mit den Hebammen höhere Vergütungen vereinbaren können.
Zudem sollen sie deren steigende Kosten berücksichtigen. Laut DHV sind die Kassen bisher aber nicht bereit, die Gebührensätze anzuheben. Anfang Februar platzten die Verhandlungen. Bislang hat der Verband einen Stundenlohn von durchschnittlich 7,50 Euro errechnet.
Monatslohn: 1300 Euro


Jitka Weber arbeitet 60 Stunden in der Woche und kommt auf einen Nettomonatslohn von etwa 1300 Euro. Zu wenig, findet die junge Frau: "Wenn man alleine ist und viel arbeiten kann, kann ich davon leben. Aber wenn ich irgendwann selber Familie haben will ..." Anja Lehnertz geht es ähnlich. Von den 35 Geburten, die die junge Mutter jährlich betreut, sind ab Juli alleine 19 fällig, nur um die Versicherung zu bezahlen. Der DHV geht davon aus, dass nun noch mehr freiberufliche Hebammen aufhören. Der Anteil operativer Geburten werde so weiter steigen, Wöchnerinnen würden ohne Versorgung am dritten Tag nach Kaiserschnitt entlassen und die Gefahr von Eskalationen im Umgang mit Säuglingen werde zunehmen.

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