Katholische Kirche Gedenken am Missbrauchsopfer - Aufarbeitung kommt langsam voran

Bonn · Die deutschen Bischöfe rufen für Sonntag erstmals zum Gedenken an die Opfer auf.

 Im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Missbrauchsvorwürfe in der katholischen Kirche hängen zurzeit auch über dem Hildesheimer Dom dicke Wolken, seit vor wenigen Tagen ein Missbrauchsvorwurf gegen den ehemaligen Hildesheimer Bischof Janssen erhoben worden ist.

Im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Missbrauchsvorwürfe in der katholischen Kirche hängen zurzeit auch über dem Hildesheimer Dom dicke Wolken, seit vor wenigen Tagen ein Missbrauchsvorwurf gegen den ehemaligen Hildesheimer Bischof Janssen erhoben worden ist.

Foto: dpa/Ole Spata

Der Aufruf der katholischen Bischöfe zum Gedenken an die Missbrauchsopfer gibt Anlass für eine Bestandsaufnahme: Wie ist der Stand der Aufarbeitung, nachdem die Bischöfe Ende September die Missbrauchsstudie vorgestellt und einen 7-Punkte-Plan gegen Missbrauch verabschiedet haben? Fragen und Antworten zum Thema.

Wozu haben sich die Bischöfe in dem Plan verpflichtet?

Sie wollen Betroffene und externe Fachleute stärker in die Aufarbeitung einbeziehen. Außerdem wollen sie klären, wer über die Täter hinaus institutionell Verantwortung getragen hat, etwa für Vertuschung oder die Versetzung von Tätern. Ferner wollen sie einen „transparenten Gesprächsprozess“ über den Zölibat und die Sexualmoral der Kirche. Zudem soll die Zahlung von Anerkennungsleistungen an Opfer überprüft und weiterentwickelt werden. Darüber hinaus wollen die Bischöfe die Führung der Personalakten vereinheitlichen und ein „verbindliches überdiözesanes Monitoring“ einführen; es soll regelmäßig offenlegen, was jedes Bistum unternimmt in Sachen Prävention und Missbrauchsbekämpfung.

Was soll der Gedenktag bringen?

Der Tag ist im Umfeld des vom Europarat initiierten Europäischen Tages zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung angesiedelt. Er sei „ein Mittel, dass das Thema nicht wieder wegrutscht“, sagte der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz, Bischof Stephan Ackermann, bei domradio.de. Man wolle Solidarität mit den Opfern zum Ausdruck bringen und die Sensibilität für das Thema wachhalten. Die Pfarreien sollen das Thema vor Ort aufgreifen.

Wie steht es um die oft geforderte Benennung von Verantwortlichen?

Für Aufsehen hat hier vor allem der Freiburger Erzbischof Stephan Burger gesorgt. Er sieht bei seinem Amtsvorgänger Robert Zollitsch, der auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz war, Fehler im Umgang mit Missbrauchstaten durch Priester. Betroffene hofften darauf, dass sich Zollitsch zu seiner Rolle bekenne und öffentlich äußere, so Burger. Zudem seien in der Vergangenheit Personalakten mutmaßlicher Täter manipuliert worden. In Hildesheim hat Bischof Heiner Wilmer Vorwürfe gegen zwei verstorbene Vorgänger im Amt deutlich benannt: Bischof Josef Homeyer (1983 – 2004) warf er Vertuschung und Versagen vor. Gegen dessen Amtsvorgänger Heinrich Maria Janssen (1957 – 1982) gibt es Vorwürfe, er habe selbst Minderjährige missbraucht. Wilmer kündigte an, externe Fachleute mit der Untersuchung zu beauftragen.

Gibt es juristische Schritte zur Aufarbeitung der Taten?

Eine Gruppe von Strafrechtsprofessoren hat Anzeige gegen unbekannt bei Staatsanwaltschaften im Bereich aller 27 deutschen Bistümer eingereicht. Diese prüfen, ob es einen konkreten Anfangsverdacht für verfolgbare strafbare Handlungen gibt. Doch die Auswertung der Missbrauchsstudie ist hier schwierig, denn die Angaben sind anonymisiert und ein Großteil der Taten ist verjährt.

Was sagen Politik und Justiz?

Mehrere Ministerinnen sowie Juristen, Opferverbände und der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, fordern die Kirche auf, ihre Archive und Aktenbestände zu öffnen. Bischof Ackermann und viele Bistümer haben „volle Kooperationsbereitschaft“ zugesagt. Doch auch hier gibt es rechtliche Hürden, etwa in Sachen Datenschutz – genau wie in Schulen, Sportvereinen und anderen Institutionen.

Wie weit ist die Debatte über Zölibat, Sexualmoral und andere institutionelle Elemente?

Einige Bischöfe wie etwa Franz-Josef Overbeck aus Essen fordern deutliche Veränderungen in der Kirche, um die „Vertrauenskrise extremsten Ausmaßes“ zu überwinden: Fragen zur Sicht der Kirche auf Homosexualität, Zölibat, Machtmissbrauch und die Rolle der Frau müssten neu gestellt und beantwortet werden. Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße spricht sich für einen offeneren Umgang mit dem Thema Sexualität aus. Insbesondere müsse die Homosexualität theologisch neu eingeordnet werden. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf plädiert für Änderungen im kirchlichen Strafrecht.

Wie sieht es in anderen Teilen der Welt aus?

Auch in anderen Ländern sorgen Missbrauchsskandale für Schlagzeilen, etwa in Irland, Chile, Australien und den USA. Insgesamt aber spielt das Thema in weiten Teilen der Weltkirche bisher keine dominierende Rolle.

Wie geht es weiter?

Am Montag und Dienstag treffen sich die Diözesanbischöfe zu ihrem Ständigen Rat. Hier will Ackermann eine Struktur für die konkrete Umsetzung des Plans vorlegen. Am Freitag beraten Experten aus Kirche und Gesellschaft über Prävention.

Und was macht die evangelische Kirche?

Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat in dieser Woche ein Elf-Punkte-Programm gegen Missbrauch beschlossen. Unter anderem sollen Betroffene beteiligt werden.

(kna)
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