Gegen Banken und Politik: Eine Wutwelle, die nicht enden will

Washington/New York · Längst sind es nicht mehr nur die Banken, gegen die sich der Unmut von Demonstraten richtet. Auch die amerikanische Regierung gerät zunehmend ins Fadenkreuz der Protestbewegung.

Washington/New York. "Wach auf, Amerika". Diesen Slogan auf einem handgemalten Schild hält ein Demonstrant den Autofahrern entgegen, die den "Strip" im Herzen von Las Vegas entlangrollen. Ein anderer fordert dort mit seinem Plakat: "Hupt, wenn ihr verschuldet seid!"
Gehupt wird viel im Zockerparadies, denn auch dort spüren die Beschäftigten die Folgen der Rezession und den Verlust von Zehntausenden Arbeitsplätzen in der Beherbungs- und Casinoindustrie deutlich.
Las Vegas, aber auch Metropolen wie Washington, Los Angeles, Chicago, Seattle und Philadelphia sind mittlerweile ebenfalls zu Schauplätzen jener "Wutbürger"-Bewegung geworden, die vor einem Monat in einem Park nahe der Wall Street ihre Geburtswehen erlebte.
Die Demonstrationen haben sich längst vom lokalen New Yorker Phänomen zu einem landesweit spürbaren Aufbegehren gegen das Finanzsystem der USA und die politische Kaste in Washington weiterentwickelt.
Und auch am Wochende wurde wieder vielerorts demonstriert - wie in New York, wo Vertreter der Protestbewegung ankündigten, ihre Blockade- und Zeltlageraktionen in den kommenden Tagen sogar noch auf andere öffentliche Plätze auszuweiten.
In Washington versuchten am Samstag rund 200 Menschen, gewaltsam in das berühmte Smithsonian-Museum vorzudringen, um in diesem Luft- und Raumfahrtmuseum gegen eine Ausstellung von Drohnen - die vom US-Militär erfolgreich gegen Terrorverdächtige und Taliban eingesetzt werden - zu protestieren. Wachleute mussten sie schließlich mit Reizgas stoppen.
Ein "Aufschrei gegen die wirtschaftlichen Bedingungen" im Land seien die Demonstrationen, so Bill Dobbs, der Sprecher der Gruppe "Occupy Wall Street" (Besetzt die Wall Street) zu den Motiven der Teilnehmer, die mittlerweile auch die Unterstützung zahlreicher einflußreicher Gewerkschaften in den USA genießen.
Das ist harter Tobak für US-Präsident Barack Obama, der die Gewerkschaften bisher zu seinen wichtigsten Unterstützern zählte. Doch dass der Unmut auch gegen ihn und die Regulierungspolitik seiner Regierung gerichtet ist, konnte er am Donnerstag bei einer Demonstration in Washington ablesen.
Organisatoren der Kundgebungen wie Kevin Zeese lassen an ihrem Ärger keinen Zweifel: "Obama hat den Bezug zur Realität verloren. Er ist damit beschäftigt, durch das Land zu reisen, um Spenden für seine Wiederwahl zu sammeln," so Zeese jetzt in der "New York Times." Für Obama werden die anhaltenden Demonstrationen auch deshalb zu einem politischen Problem, weil seine Sympathie-Bezeugungen von den Fakten entwertet werden. Er verantwortete nicht nur ein Rettungsprogramm für jene Großbanken, die nun erneut im Kreuzfeuer der Kritik stehen, sondern leistet sich mit Timothy Geithner auch einen umstrittenen Finanzminister, dem eine allzu große Nähe zu den Großen der Wall Street nachgesagt wird.
Politisch könnten also die Republikaner profitieren. Doch seit Eric Cantor, die Nummer zwei der "Grand Old Party" im US-Repräsentantenhaus, die Demonstranten an der Wall Street und andernorts als "Mob" abkanzelte, dürfen Amerikas Konservative nicht mit Gegenliebe der Protestler rechnen.
Die finden die "Wutbürger" hingegen bei Wirtschafts-Nobelpreisträger Paul Krugman. Der liberale Autor zeigte sich jetzt angesichts der wachsenden Populariät der Anti-Banken-Bewegung begeistert: Endlich sehe man, so Krugman am Freitag in der New York Times, den Aufstieg einer Bewegung, die ihren Ärger in die richtige Richtung ventiliere.

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