Geht es am Nürburgring allmählich bergauf?

Nürburg · Während die Verkaufsverhandlungen laufen, bemühen sich die Sanierer, den Nürburgring so attraktiv wie möglich zu machen. Ein Teil der Baumängel ist behoben. Nur die symbolträchtige Achterbahn darf immer noch nicht an den Start.

Von fern kündigt ein immer lauter werdendes Dröhnen sein Kommen an, dann rast der Ring Racer an den etwa 40 Journalisten vorbei. Leer. Denn anders als erhofft können die Sanierer des insolventen Nürburgrings am Donnerstag noch keine Betriebsgenehmigung für die Achterbahn präsentieren. Doch auch so haben sie viel zu erzählen über das, was sie im vorigen Jahr getan haben. Vieles davon hatte mit baulichen Mängeln zu tun.

"Es ist wichtig für den Verkaufsprozess, dass wir wissen, welche Mängel da sind", sagt der Trierer Fachanwalt Paul Henseler, der sich als Spezialist für Bau- und Architektenrecht um alle architektonischen Probleme des Megakomplexes kümmert. Und Probleme gibt es genug. Wenn auch - wie Henseler betont - nicht mehr als bei anderen Objekten dieser Größenordnung.

Das Image des Nürburgrings als maroder Schrotthaufen stamme aus jener Zeit, in der die Vorpächter mit Verweis auf eine 2300 Positionen starke Mängelliste keine Miete zahlten. "Ein Großteil dieser Positionen war längst abgearbeitet", sagt Henseler. Zudem sei die Liste völlig ungewichtet gewesen. Die kaputte Fußleiste habe genauso viel Raum bekommen wie ein ernstes Problem. Die Sanierer hatten nun ein Jahr Zeit, die Liste zu sichten, Mängel zu untersuchen, die Ursachen zu erforschen, die Kosten zu ermitteln, die Verantwortlichen zu finden, das Problem zu beseitigen oder dies einzuklagen. Folgendes ist dabei herausgekommen:

Grüne Hölle
Als der Nürburgring vor etwa einem Jahr in die Insolvenz ging, hatte ein Teil der Grünen Hölle, jenes umstrittenen Partydorfs im pseudorustikalen Alpenstil, gerade dichtgemacht. Das Problem: gefährliche Schimmelpilze in der Raumluft. Betroffen waren Steak- und Brauhaus sowie das riesige Kellergeschoss der Diskothek Eifel Stadl.

Inzwischen haben die Ringsanierer nicht nur herausgefunden, was die Ursache war. Sie wurde auch beseitigt. "Das ist ein relativ großer Akt gewesen", sagt Henseler. Denn Einrichtung, Leitungen, Boden - alles musste raus. Schuld am Schimmel war nämlich, dass die Häuser nicht wie vorgesehen gegen aus dem Erdreich eindringende Feuchtigkeit gesichert waren, so dass der nasse Estrich eine optimale Brutstätte für Pilze bildete. Im Eifel Stadl kam hinzu, dass dort nicht richtig isolierte Kühlzellen standen.

Geschätzte Kosten der Sanierung: 1,2 Millionen Euro. "Normalerweise weigern sich die verantwortlichen Firmen, ihre Fehler zu beheben", sagt Henseler. Ungewöhnlicherweise habe sich der österreichische Generalunternehmer in diesem Fall jedoch dazu bereiterklärt. Seit dem Formel 1-Wochenende ist alles wieder geöffnet.

Freizeit- und Businesszentrum
In dem weitläufigen Komplex aus Ring-Boulevard, -Arena, -Werk & Co. gibt es laut Henseler relativ wenige bauliche Fehler, die allerdings große Auswirkungen haben. Saniert werden müssen nämlich alle fünf riesigen Freitreppen, die von der Straße zu den Gebäuden hinaufführen. "Da wurde der falsche Beton benutzt. Der bröselt und bröckelt", sagt der Trierer Fachanwalt. Zudem sei die Abdichtung zur Außenwand der angrenzenden Gebäude nicht in Ordnung. Auch fehle der Treppe eine Tropfkante. Die Folge: Wasser dringt sowohl in die Räume neben als auch in die Räume unter den Treppen ein. "Da wurde mangelhaft geplant", sagt Henseler, der sich sicher ist, dass eine Klage zum Erfolg führen wird. In diesem Fall weigern sich die Firmen nämlich, den Schaden zu beheben.

Ein weiteres Problem: die Toiletten im Warsteiner Event-Center. Dort drang sowohl Wasser von der Treppe ein als auch durch eine von Abflussleitungen perforierte Bodenplatte. Da die Toiletten benötigt werden, haben die Insolvenzverwalter entschieden, sie zu sanieren und das Geld später einzuklagen.
Insgesamt belaufen sich alle bekannten Schäden auf etwa zwei Millionen Euro.

Die Kartbahn
"Die Karthalle stand Anfang des Jahres kurz vor der Schließung", sagt Paul Henseler. Denn wegen unzureichender Lüftung war die Konzentration giftiger Abgase in der Halle zu hoch. Für 300 000 Euro wurde seitdem auf Elektrokarts umgestellt. Jetzt sei es eine Vorzeigeanlage, und der Betrieb laufe gut.

Der Ring Racer
Nicht immer nur zugucken. Am eigenen Leib sollten die Besucher des Nürburgrings erfahren können, wie sich Beschleunigung anfühlt. Per Luftdruck abgeschossen, beschleunigt der 15 Millionen Dollar teure Ring-Racer in 2,3 Sekunden auf 170 Kilometer pro Stunde, ehe es in die Hochkurve geht und unter dem Hallendach zurück. Die schnellste Achterbahn der Welt sollte er werden.

Stattdessen wurde der stählerne Gigant zum Symbol des gescheiterten Großprojekts Nürburgring. Zunächst traten bei Probeläufen technische Probleme auf - unter anderem entwich explosionsartig eine große Menge Druckluft. Doch sind diese Probleme Paul Henseler zufolge seit 2011 behoben. Der Tüv habe alles mehrfach überprüft und festgehalten, dass einer Inbetriebnahme nichts im Wege stehe. Ein geforderter Abschlussbericht liegt der zuständigen Kreisverwaltung Ahrweiler seit Juni vor. Ein weiterer Grund, warum es noch keine Betriebsgenehmigung gab, war das Fehlen eines konkreten Evakuierungskonzepts. Was passiert (in dem aus Henselers Sicht extrem unwahrscheinlichen) Fall, dass der Coaster genau am Scheitelpunkt der knapp 40 Meter hohen Kurve stehen bleibt? Wie holt man die Leute da raus? Eine Feuerwehrleiter ist zu kurz, und einen Kran heranzuschaffen, würde drei Stunden dauern. Die Sanierer haben folgende Lösung gefunden: Sie haben für 15 000 Euro monatlich ein Hebebühnenfahrzeug gemietet und Angestellte, die sich dazu freiwillig bereiterklärt haben, in der Bedienung schulen lassen. Der Tüv habe das Konzept für gut befunden.

Das teure Fahrzeug steht nun seit dem Formel 1-Wochenende permanent neben der Kurve. Die Ring-Chefs waren davon ausgegangen, dass der Kreis ihnen den Betrieb genehmigen würde, nachdem aus ihrer Sicht nun alle geforderten Unterlagen eingereicht worden sind. Doch die Kreisverwaltung prüft noch. Sicherheit habe höchste Priorität, sagt ein Sprecher. Und so bleibt es vorerst bei Leerfahrten.Extra

Die EU-Kommission prüft, ob am Nürburgring illegale staatliche Beihilfen geflossen sind. Jens Lieser zufolge geht es um 550 Millionen Euro - inklusive Zinsen. Der Sachwalter rechnet damit, dass die EU das Land im Herbst dazu verpflichten wird, das Geld von der Nürburgring GmbH zurückzufordern. Sollte diese nicht innerhalb von vier Monaten zahlen, könnte die EU Lieser zufolge eine Schließung des Ringbetriebs verlangen, um weitere Wettbewerbsverzerrung zu verhindern. Um das zu vermeiden, soll der Verkauf vorher abgeschlossen sein. Ein EU-konformes Vorgehen soll garantieren, dass der Käufer nicht mit Beihilferückforderungen konfrontiert wird. Für das Land (und den Steuerzahler) ist entscheidend, wie hoch der Kaufpreis ist. kah

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