Geld von den Geiseln?

BERLIN. Das allgemeine Aufatmen über die Befreiung der Sahara-Geiseln, die in Wirklichkeit ein Freikauf war, ist noch vor der Rückkehr der neun Deutschen von einer Diskussion über finanzielle Konsequenzen überlagert worden.

Kommt nach dem Blumenstrauß der Kostenbescheid? Mehrere hochrangige Politiker warfen am Dienstag die Frage auf, ob sich Entführungsopfer nicht an den Kosten beteiligen müssten, die durch aufwändige Such- und Befreiungsaktion entstünden. Während sich Bundeskanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joschka Fischer dazu bedeckt hielten, wies der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz entsprechende Forderungen als "abwegig und herzlos" zurück. Anstatt die Opfer zur Kasse zu bitten, "sollten wir uns freuen, dass sie wieder in Freiheit sind". Familie Wallert zahlte 6600 Euro

Zuvor hatten der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Bosbach und der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Gert Weisskirchen, eine finanzielle Beteiligung an den Kosten ins Gespräch gebracht. Wer sich "leichtfertig und um des Nervenkitzels willen" in Gefahr bringe, müsse mit entsprechenden Forderungen des Staates rechnen, sagte Bosbach. Ähnlich äußerte sich Weisskirchen, der einen "eigenen Beitrag" anmahnte. Der frühere Staatsminister im Außenministerium, Ludger Volmer, nannte die Eigenbeteiligung von Geiseln an den aufgelaufenen Kosten eine "längst gängige Praxis". Er bezog sich dabei insbesondere auf die Entführung der Göttinger Familie Wallert vor drei Jahren auf der phillipinischen Insel Jolo. Nach Medienberichten sollen die Wallerts damals vergleichsweise bescheidene 13 000 DM (6600 Euro) für die "Erstattung von Auslagen" bezahlt haben. Allerdings haben sie ein Vielfaches davon durch den exklusiven Verkauf ihrer Erlebnisberichte an Medien eingenommen. Außenminister Fischer wollte sich am Dienstag zu dem brisanten Thema nicht äußern, da "dies nicht der Tag für solche Erörterungen" sei. Kanzler Schröder betonte in einer Stellungnahme, alle Welt-Reisenden müssten dafür Sorge tragen, dass ihre Sicherheit bestmöglich gewährleistet sei. Der SPD-Außenpolitiker Gernot Erler meinte, es müsse nun untersucht werden, ob die Sahara-Touristen womöglich grob fahrlässig gehandelt und Reisewarnungen missachtet hätten. Fest steht bislang nur, dass das Auswärtige Amt am 10. Januar 2003, sechs Wochen vor der ersten Vermisstenmeldung, einen so genannten "Reisehinweis" für Algerien heraus gegeben hat, mit dem auf ein "erhöhtes Sicherheitsrisiko" aufmerksam gemacht wurde. Eine offizielle Reisewarnung, die für besonders gefährliche Länder und Regionen (wie Afghanistan) erfolgt, lag indes nicht vor. Ungeachtet dessen meinte der CDU-Politiker Bosbach, sein Vorschlag der Kostenbeteiligung sei nicht an die Adresse der jetzt befreiten Geiseln gerichtet. Diese müssten vielmehr mit einem Blumenstrauß anstatt eines Kostenbescheides begrüßt werden. Offenbar will auch die Bundesregierung so verfahren. Bislang sei niemand mit einer Rechnung auf ihn zugekommen, sagte die ehemalige Geisel Axel Manthey aus Bayreuth, die bereits bei der Befreiungsaktion im Mai gerettet werden konnte. Manthey nannte die Debatte darüber gegenüber der Nachrichtenagentur AFP "nicht nachvollziehbar". Die Geiseln seien nicht nur unverschuldet in Not geraten, sondern hätten selbst hohe materielle Verluste erlitten.

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