Gemeinsame Reise durch die östliche Problemzone

Chisinau/Tiflis · Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und sein französischer Kollege Laurent Fabius haben am Donnerstag politische Gespräche in Georgien geführt. Ein Hauptthema dabei - na klar: die Ukraine-Krise.

Chisinau/Tiflis. Vor dem Regierungsgebäude in Chisinau hängen Plakate: "Eine europäische Zukunft für Moldawien" steht darauf. Die ist in der kleinen Republik zwischen Rumänien und der Ukraine gerade nah und fern zugleich. Ab nächsten Montag dürfen die rund drei Millionen Moldawier visafrei in die EU reisen, das Assoziierungsabkommen mit der EU soll unterzeichnet werden. Gleichzeitig hat das Parlament der abtrünnigen Teilrepublik Transnistrien beschlossen, dass der Landstrich mit russischer Mehrheit wie die Krim an Russland angeschlossen werden will. Moskau hat dort 1500 Soldaten stationiert.

Signal aus dem Westen


Wenn in dieser Situation die Außenminister Frankreichs und Deutschlands anreisen, dann ist das ein Signal. Laurent Fabius und Frank-Walter Steinmeier wollen die europäische Perspektive der Länder in der östlichen Peripherie der EU wach halten. Zugleich aber betonen beide, dass sich diese europäische Perspektive "gegen niemanden" richte, auch nicht gegen Russland. "Wir steigen nicht ein in ein geostrategisches Spiel um Einflusssphären", sagt Steinmeier. Und, dritte Botschaft, beide verlangen von Moskau, die territoriale Integrität der Länder zu respektieren. Keine Wiederholung des "Krim-Szenarios".
Die beiden Außenminister treffen neben dem westorientierten Regierungschef Lurie Leanca auch den Vorsitzenden der immer noch sehr einflussreichen kommunistischen Partei. Es ist Wahlkampf in Moldawien und in dem tritt Wladimir Voronin antiwestlich auf. Der Oppositionsführer verbreitet, so erfährt man aus dem Gesprächsverlauf, zu ungefähr 95 Prozent der Zeit "russische Propaganda". Ein zweistündiger pannenbedingter Zwangsaufenthalt Mittwochabend in Chisinau (eine Warnanzeige im Flugzeug ist defekt), dann reisen die beiden Minister gemeinsam im deutschen Regierungsflieger weiter nach Georgien, wo gleich zwei Landesteile faktisch bereits von Russland abgespalten worden sind: Abchasien und Südossetien.
In Tiflis ist die Regierung stabiler und die Orientierung auf den Westen viel stärker. Inklusive Beitrittswunsch in die Nato. Den müssen die Gäste sachte abwehren. Man begrüße sehr, dass Georgien sich militärisch engagiere, zum Beispiel bei der EU-Mission in Zentralafrika, sagt Fabius. Aber wichtig sei auch die Stabilität in der kaukasischen Region selbst. Die würde im Moment wohl eher gegen eine Aufnahme Georgiens in die Nato sprechen. Schon jetzt, schildern die georgischen Regierungsvertreter, gebe es militärische Aktionen der Russen an der "Grenze" zu Südossetien.
Die Reise des deutsch-französischen Duos ist ein Ritt auf der Rasierklinge. Anfang März hatte sie schon stattfinden sollen, doch dann kam die Krim-Annexion dazwischen. Und auch diesmal lassen sich die beiden Minister ständig über die brenzlige Lage in der Ostukraine informieren. Die Flugroute führt weit südlich, die Krim wird großräumig umflogen. Was will Russland? Im Moment gibt es keine Anzeichen, dass Putin auch woanders dass "Krim-Szenario" nachspielen will. Aber sicher ist sich niemand. Moskau spielt mit dem Westen ein Machtspiel, täglich neu, so der Eindruck der Diplomaten.
Bei ihrer Reise lernen der Deutsche und der Franzose allerdings auch eine Möglichkeit kennen, wie sich der Nationalitätenkonflikt mit Russland vielleicht auch auflösen könnte: Durch die Macht des Faktischen. Die bevorstehende Visafreiheit für die Moldawier hat nämlich bereits dazu geführt, dass die Zahl der Anträge auf Ausstellung eines moldawischen Passes sprunghaft angestiegen ist. Auch von Leuten aus Transnistrien, die offiziell doch so gern Russen sein wollen. Viele, berichtet ein Diplomat in Chisinau, stellen den Antrag heimlich.Extra

Ukrainische Spezialeinheiten haben am Donnerstag bei Donezk mit Panzern und Hubschraubern prorussische Separatisten bekämpft, die Amtsgebäude besetzt halten. Laut Kiew erschossen ukrainische Soldaten nahe Slawjansk fünf moskautreue Aktivisten. In Artjomowsk wehrten Soldaten nach ukrainischen Angaben 100 Angreifer auf ein Waffenlager ab. Die russische Regierung ordnete gestern ein Militärmanöver an der Grenze zur Ukraine an.dpa

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