Generalaussprache ohne wirkliche Debatte

Welche Chance für Peter Struck, die Selbstwertkrise der SPD ein wenig zu lindern und ihren Anteil am Wirken der Regierung aufzuzeigen - doch der SPD-Fraktionschef nutzte die Gelegenheit gestern in der Generalaussprache über den Haushalt 2008 im Bundestag nicht. Kanzlerin Angela Merkel, die ihre Rede mit dem Satz einleitete, die Bürger hätten wieder allen Grund zur Zuversicht, blieb fast völlig unangetastet. Denn auch die Opposition erwischte einen schlechten Tag.

Berlin. Struck nuschelte so leise ins Mikrofon, dass man ihn schon auf den Rängen nicht mehr verstand. Ein paar Haushaltsfragen streifte er, vom Bafög bis zum Wehrsold, und ein paar aktuelle Debatten wie das NPD-Verbot. Bezogen auf die Regierungsbilanz aber wirkte Struck eher wie ein Aufsichtsrat, der nur hier und da noch etwas zum Vorstandsbericht ergänzen möchte. Ganz anders Angela Merkel. Die CDU-Chefin spielte die vernünftig vermittelnde Kanzlerin, die über den Parteien steht und großen Linien folgt. Den sozialdemokratischen Part erledigte sie gleich mit. Schon zu Beginn sprach sie von der erfolgreichen Modernisierung des Landes durch — ja auch durch die "Agenda 2010" der Vorgängerregierung von Gerhard Schröder. Bekanntlich hadern die Sozialdemokraten damit, ob sie darauf stolz sein können oder nicht. Und dann nannte die Kanzlerin das Ziel, "alle Menschen am Aufschwung teilhaben zu lassen". Das sollte eigentlich die neue Losung der SPD werden. Kabinett und Koalitonsabgeordnete hörten aufmerksam zu, als ob die Klassenlehrerin zum Ende des Schuljahres Kopfnoten vergibt. Von denen gab es zwei, gleichmäßig verteilt. Den Streit um das Betreuungsgeld für daheim erziehende Mütter entschied Merkel eindeutig gegen die CSU. Es sei "ganz klar" verabredet, dass erst mal der Rechtsanspruch auf Krippenbetreuung realisiert werde und man erst 2013 über das Betreuungsgeld rede. Das klang schon fast wie ein "Basta". Als nächstes bekam die SPD ihr Fett weg. Vorwürfe, Deutschland werde zum Polizeistaat, seien "ganz offensichtlich Unsinn". Das Gesetz mit den neuen Befugnissen zur Terrorabwehr für das Bundeskriminalamt müsse kommen und zwar inklusive Online-Durchsuchung. Die Redner der Opposition nutzten ihren traditionellen Tag der Kritik zuerst einmal für ein dickes Lob — für die Außenpolitik der Regierung. "Deutschland wird respektabel repräsentiert", meinte Fitz Kuhn (Grüne), und FDP-Chef Guido Westerwelle sprach von "großen Herausforderungen", die Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier international gemeistert hätten. In der Innenpolitik verlor sich Kuhn im Kleinklein der Kritik, während Westerwelle es grundsätzlicher versuchte. Die SPD habe sich von der Agenda 2010 verabschiedet, die Union sich von den Beschlüssen ihres Leipziger Parteitages. Beiden Parteien fehle der Mut zu Strukturreformen, weshalb der nächste Abschwung Deutschland doppelt hart treffen werde. Diese Passage machte höchstens fünf Minuten der vierstündigen Debatte aus und war schon die härteste Attacke. Wenn man einmal von Oskar Lafontaine absieht. Doch dessen Schwarzmalerei von der sozialen Lage im Land fand mitten in solch wirtschaftlich guten Zeiten keinen rechten Widerhall. Zumal nicht in diesem Bundestag, in dem mangels Machtalternative jede Lust zur Herausforderung verloren gegangen zu sein scheint.

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