Gepolsterte Seelen

TRIER. Sie sind umstritten, doch Psycho-Fernsehsendungen wie etwa "Die Supernanny" und "Zwei bei Kallwass" haben durchaus ihr Gutes: Es ist selbstverständlich geworden, sich in Krisensituationen Hilfe zu holen. Zum Beispiel bei der Lebensberatung des Bistums Trier. Deren Jahresbericht liefert interessante Erkenntnisse.

Frau M., zwei Kinder von zwei und vier Jahren, fragt aktuelle Unterstützung nach dem Tod ihres Mannes an. Was soll sie den Kindern sagen? Soll sie sie mit zur Beerdigung nehmen? - Herr S., geschieden, sieht seine Kinder alle 14 Tage für ein Wochenende. Sonntags abends wollen die Kinder nicht zurück zur Mutter. Mit ihr kann er nicht darüber reden. Zwei von der Lebensberatung des Bistums Trier konstruierte Hilferufe, wie sie dort tagtäglich auflaufen. Fast 27 000 Menschen suchten im vergangenen Jahr Rat bei den 120 Beraterinnen und -beratern - allesamt Fachkräfte wie Psychologen und Diplom-Pädagogen mit therapeutischen Zusatzqualifikationen. Obwohl der Bedarf nach allgemeiner Einschätzung steigt, ist die Zahl der Beratungen damit konstant geblieben. Andreas Zimmer, Leiter des Referats Beratungsstellen beim Bistum Trier, führt das darauf zurück, dass seine Mitarbeiter seit Jahren ausgelastet sind und aus finanziellen Gründen keine Ausweitung des Beratungsnetzes möglich ist. Derweil zeichnen sich neue Schwerpunkte ab. Neben "Dauerbrennerthemen" wie Trennung und Scheidung spielt vor allem die Beratung junger Eltern eine immer größere Rolle. Ihnen fehle es nicht nur an Erfahrung - der "wahnsinnig gestiegene" Anspruch an die Erziehung erhöhe die Verunsicherung zusätzlich, sagt Beraterin Birgit Martens. Doch die Lebensberatung richtet auch von sich aus den Blick auf die Gruppe der Kinder bis drei Jahre: "Wir haben heute sehr viel Theorie zur Verfügung, um Kinder und Eltern auch bei der Interaktion und in psychosozialen Fragen zu unterstützen", sagt Martens. "Kinder, die sich in dieser Lebensphase gut entwickeln, sind in späteren Krisenzeiten besser gepolstert." Im Klartext: Läuft hier alles glatt, werden viele spätere Schwierigkeiten vermieden. Die Lebensberater gehen in Krabbelgruppen und Kindergärten, informieren Kinderärzte und arbeiten mit Stellen wie Jugendamt und Familienbildungsstätte zusammen. Eine zweite Verschiebung geht hin zur Beratung im Internet. In jeder Dienststelle gibt es Experten, die auch per Mail helfen. "Manche Ratsuchende würden nie zu uns kommen", berichtet die Leiterin der Fachgruppe Online-Beratung, Angela Dieterich. Das Internet biete die Vorteile, dass die Anfrage anonym und zu jeder Tages- und Nachtzeit gestellt werden könne. "Oft ist die Online-Beratung aber auch ein Einstieg. Haben die Menschen Vertrauen gefasst, kommen sie zum persönlichen Gespräch."1294 Mails bei der Online-Beratung

1294 Mails sind Dieterich zufolge seit der Einrichtung des Online-Angebots 2003 eingegangen. "Die Tendez ist eindeutig steigend." Referatsleiter Zimmer berichtet von einer weiteren Entwicklung: Die Menschen wollten immer schneller Ergebnisse sehen. "Doch man kann ein Problem, das sich über Jahre hinweg angestaut hat, nicht in einem Gespräch lösen." Die durchschnittliche Beratungsdauer lag 2005 bei 6,7 Stunden pro abgeschlossenem Fall. Auch für die kommenden Jahre sind neue Entwicklungen in der Lebensberatung zu erwarten - nicht nur inhaltlich. In der Bistumsverwaltung läuft eine Neuorganisation, und Zimmer sieht neue Rahmenbedingungen auf sich zu kommen. So müssten etwa mit der steigenden Bedeutung früher Hilfen neue Netzwerke gebildet werden. Auch in punkto Finanzen wird sich für die pro Jahr rund sechs Millionen Euro teure Lebensberatung einiges ändern. "Wenn uns da nichts gelingt, werden wir Beratungsstellen schließen müssen", sagt Zimmer. Er vermeldet erste Erfolge wie die Gründung einer Stiftung. Und gibt sich optimistisch: "Ich habe den Eindruck, dass wir durchaus Möglichkeiten haben. Es ist gut darstellbar, wozu man uns braucht."

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