Geräuschlose Einigung auf den Freihandel zwischen künftigen Koalitionspartnern

Brüssel · TTIP und Ceta heizen die Differenzen zwischen den Regierungsgrünen in Berlin und dem Landesverband im Südwesten an. Während Toni Hofreiter, Fraktionschef im Bundestag, immer giftiger gegen TTIP und Ceta auftritt, haben sich Grüne und Union bei den Koalitionsverhandlungen in Stuttgart geräuschlos auf einen Pro-Freihandelskurs geeinigt.

Nach Informationen unserer Zeitung wird der Koalitionsvertrag eine Passage enthalten, die die hohe Bedeutung "bilateraler Verträge der EU mit wichtigen Handelspartnern wie etwa die USA" herausstellt. Unter der Voraussetzung, dass Verbraucherrechte nicht untergraben werden, will die neue Landesregierung die Abkommen unterstützen. Das Kapitel wurde von Landwirtschaftsminister Alexander Bonde (Grüne) und Thomas Bareiß, Wirtschaftsexperte der Unionsbundestagsfraktion, ausgehandelt. Beide Seiten zeigten sich überrascht, dass man sich so schnell nah gekommen ist. Die Union konnte sich zwar mit ihrer Forderung nicht durchsetzen, ein grundsätzliches "Ja" zum Freihandelsabkommen mit Kanada (Ceta) im Koalitionsvertrag zu verankern.

Unter dem Strich wird die neue Regierung in Baden-Württemberg aber bei dem Kurs bleiben, den bereits die Vorgängerregierung eingeschlagen hat. Basis der Einigung ist das Eckpunktepapier, das Grün-Schwarz im März 2015 vorgelegt hat. Das Papier betont die Chancen von TTIP. Den Unternehmen im Land würde TTIP "substanzielle Vorteile" bringen. Weiter heißt es in dem Papier: "Aus Sicht der Landesregierung kann TTIP einen wichtigen Beitrag leisten, um die Rolle und die Bedeutung der EU in der Welt zu stärken." Grüne und CDU wollen auch an dem TTIP-Beirat festhalten, den die alte Landesregierung einberufen hatte. Bisher wurde dieses Gremium von Bundesratsminister Peter Friedrich (SPD) und Bonde geleitet.

Damit ist klar: Ministerpräsident Winfried Kretschmann hält im Gegensatz zu den Bundesgrünen am TTIP-freundlichen Kurs fest. Sehr zum Ärger vieler Basisgrünen hatte er aus seinen Sympathien für den Freihandel nie einen Hehl gemacht. So hatte er sich mitten in der heißen Phase des Wahlkampfes bei den Naturschutztagen des BUND am Bodensee grundsätzlich für TTIP ausgesprochen: "Ich weiß gar nicht, warum wir da Angst haben müssen: Die USA ist kein großer Bruder von uns. Wie verhandeln mit denen auf Augenhöhe."

Wenn der Koalitionsvertrag demnächst vorgestellt wird, dürfte mancher Grünen-Wähler enttäuscht sein. Vor allem die Aktivisten von Campact, die bundesweit gegen TTIP und Ceta trommeln, werden schäumen. Sie hatten im Wahlkampf versucht, die Grünen im Südwesten auf ein "Nein" zu TTIP und Ceta festzulegen. Angeblich hätten die Grünen im Südwesten und Rheinland-Pfalz Campact geantwortet, dass sie den Abkommen nicht zustimmen. Auf der Campact-Seite im Netz heißt es schon: "Jetzt erwarten wir natürlich, dass die Grünen Wort halten."

Und weiter mit drohendem Unterton: "Wir werden das Verhalten der Landesregierung aufmerksam verfolgen und gegebenenfalls mit Aktionen die Einhaltung von Wahlversprechen einfordern." Die Grünen im Südwesten ahnen wohl, dass es Ärger mit der Basis geben könnte. Nach Informationen unserer Zeitung hält Kretschmann ein Rechtsgutachten zurück, das der Tübinger Jurist Martin Nettesheim zu Ceta im Auftrag der Landesregierung erstellt hat. Dem Vernehmen nach kommt der Experte zum Schluss, dass Ceta ein so genanntes "gemischtes Abkommen" ist. Das heißt: Es greift in die Rechte Baden-Württembergs und seiner Kommunen ein. Das heißt: Der Bundesrat müsste zustimmen. Spätestens dann muss die neue Landesregierung Farbe bekennen.

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